Sozistunde 13185 – Kampf der Kulturen?


Kampf der Kulturen ist ein politikwissenschaftliches Buch von Samuel P. Huntington, das den Untertitel Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert hat. Das amerikanische Original erschien 1996 als The Clash of Civilizations (deutsch wörtlich „Zusammenprall der Zivilisationen“) und war die Erweiterung eines gleichnamigen Artikels (der aber mit einem Fragezeichen versehen war), den Huntington 1993 in der Zeitschrift Foreign Affairs veröffentlicht hatte.[1] Das Buch enthält die Hypothese, dass es im 21. Jahrhundert zu Konflikten zwischen verschiedenen Kulturräumen, insbesondere der westlichen Zivilisation mit dem chinesischen und dem islamischen Kulturraum kommen könnte. Das Buch wurde vielfach aufgelegt und übersetzt, führte zu kontroversen Diskussionen und wurde von Politikwissenschaftlern von Beginn an heftig kritisiert.




Huntington benennt folgende große zeitgenössische Kulturkreise[6], die meist von einem Kernstaat dominiert werden.[7]

 

Seite „Kampf der Kulturen“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 29. Dezember 2018, 21:20 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kampf_der_Kulturen&oldid=184194380 (Abgerufen: 1. März 2019, 19:38 UTC)



Die blutigen Grenzen des Islam

 

"Im 21. Jahrhundert hat die Ära der muslimischen Kriege begonnen." Samuel Huntington im Gespräch mit der ZEIT

 


I. Die Grundthese Huntingtons vom Kampf der Kulturen

Der Ausdruck „Kampf der Kulturen“ stieg – insbesondere nach dem „11. September“ zu einem populären Schlagwort im internationalen politischen Diskurs auf.

 

II: Huntingtons Einteilung der Welt in Kulturkreise

Huntington macht den Versuch, Kulturkreise zu definieren. Jeder Kulturkreis hat einen Kernstaat bzw. einen potentiellen Kernstaat (Machtzentrum).

1. Chinesisch – China; 2. Japanisch – Japan; 3. Hinduistisch Indien; 4. Buddhistisch

5. Islamisch – Kernstaat (noch) nicht vorhanden, nach Huntington wird die Frage zwischen Saudi-Arabien, Iran und Ägypten entschieden; 6. Slawisch-Orthodox – Russland

7. Westlich – USA, und die europäischen Kernstaaten: Frankreich, Deutschland, Italien, (Großbritannien); 8. Lateinamerikanisch – Die Existenz eines lateinamerikanischen Kulturkreises stellt Huntington in Frage..

9. Afrikanisch Die Existenz eines (einheitlichen) afrikanischen Kulturkreises bezweifelt Huntington ebenfalls.

 

III. Kernstaatenkonflikte und Bruchlinienkonflkte

Huntington stellt die Behauptung auf, dass ein grundsätzlicher Konflikt zwischen einzelnen Kulturkreisen  insbesondere zwischen der westlichen Zivilisation mit dem (chinesischen und dem) islamischen Kulturkreis bestunde. Dieser religiös-kulturelle Gegensatz wird die „neue Weltordnung“ nach dem Ende des (ideologisch und nicht religiös begründeten) Kalten Krieges (Ost-West-Konfliktes) besonders prägen.

 

Die zwischen den Kulturkreisen bestehenden Gegensätze bringen Konflikte mit sich, die als Kernstaatenkonflikte oder als Bruchlinienkonflikte ausgetragen werden können:

● Kernstaatenkonflikte besitzen globale Relevanz, denn hier geraten die zentralen Träger der Kulturen - Huntington nennt sie Kernstaaten -  in Konflikt zueinander. Dieser Konflikttyp bringt die Gefahr eines dritten Weltkrieges mit sich.  

● Die Auseinandersetzungen laufen daher meistens gewaltfrei und institutionalisiert ab und zielen auf den Gewinn von Macht und Einfluss

● Kernstaatenkonflikte können allerdings in Verbindung mit Bruchliniekonflikten an Intensität gewinnen.

● Bruchlinienkonflikten besitzen regionale Bedeutung; hier treffen die Interessen von Nachbarstaaten unterschiedlicher Kulturkreise aufeinander

● Die Auseinandersetzungen können häufig in Kriege münden und sind hauptsächlich religiös motiviert

● In Bruchlinienkonflikten bekommen die Primärbeteiligten Unterstützung von ihren kulturellen Verwandten. sie haben daher die Tendenz zur Internationalisierung und Ausweitung.

 

IV. Huntington fordert langfristig eine Neuordnung der internationalen Politik des Westens, die einer multipolaren, multikulturellen Welt gerecht wird. Der Westen muss versuchen, seine militärische und wirtschaftliche Macht zu wahren, Huntington die Umstrukturierung des UN-Sicherheitsrates - Es solle ständige Sitze an die Kernstaaten der Kulturkreise geben  Ein neues Mächtegleichgewicht, welches der Abschreckungslogik des Kalten Kriegs folgt, sollte geschaffen werden: Kernstaaten sollen Atomwaffen besitzen – auf diese Weise könne die Macht im eigenen Kulturkreis gesichert werden und eventuell internationale Stabilität erreicht werden. 


Tatsächlich scheinen viele Indizien dafür zu sprechen, dass wir heute einen „Kampf der Kulturen“ zwischen der westlichen und der der islamischen Welt erleben:

1. Die Zeichen scheinen in der Tat auf einen kriegerischen KAMPF hinzudeuten: Die Anzahl und Intensität der Konflikte zwischen der westlichen und islamischen hat seit 1990 zugenommen 

a) Huntington selbst fühlte sich vor allem durch die Terror-Anschläge vom 11. September 2001 bestätigt.

b) Seit dem Ende des Kalten Krieges mehren sich kriegerische Auseinandersetzungen zwischen westlichen und islamischen Staaten; als Beispiele seien hier die US-geführten Intervention in Afghanistan von 2001 bis 2015 und im Irak 2003 aufgeführt.

c) Im Nordwesten des Irak und im Osten Syriens wurde im Juni 2014 ein als Kalifat bezeichneter Islamischer Staat (IS) ausgerufen, seit August 2014 sind IS Truppen Ziel US-amerikanischer Luftangriffe

 

 

2. Religiös-KULTURelle Gegensätze scheinen dabei in der Tat immer bedeutsamer zu werden:   

a) Aufgrund einer Serie von Karikaturen des Propheten Mohamed, die 2005 in einer dänischen Tageszeitung veröffentlicht wurden, kam es in islamisch geprägten Ländern zu gewalttätigen Ausschreitungen.

b) Zu Beginn des Jahre 2015 ereignete sich ein kam es zu einem Anschlag auf Redaktion der Satirezeitung "Charlie Hebdo“ in Paris. Das Blatt hatte im September 2012 mit der Veröffentlichung teils derber Mohammed-Karikaturen wütende Reaktionen von Muslimen ausgelöst, die Abbildungen des Religionsgründers ablehnen.

 

c) In der jüngeren Vergangenheit kam vor allem in Frankreich und Deutschland. Zu einem Kopftuchstreit ist es , unter anderem, nachdem Muslimas das Tragen des Kopftuches auch im Staatsdienst und als Rechtsanwältinnen beim Auftreten vor Gericht gerichtlich durchzusetzen versuchten.

 

3. Huntington selbst benennt als eine plausible Ursache für den Konflikt zwischen der westlichen und der islamischen Welt, „das historische Gefühl unter Muslimen, vor allem unter Arabern, dass sie vom Westen unterjocht und ausgebeutet worden seien“ und den „Groll über konkrete westliche Politik, insbesondere der amerikanischen Unterstützung Israels“ [im palästinesisch-israelischen Nahostkonflikt, der seit 1948 ausgetragen wird. 


Kampf oder Allianz der Kulturen (aus der Sendereihe "Mit offenen Karten")
https://www.youtube.com/watch?v=Ql4A2xqQ6v8 (nicht mehr erreichbar)



Kritik an Huntingtons Konzept:

Huntingtons Einteilung der Kulturkreise wird hinterfragt. So benutzte er auf der einen Seite die religiöse Mehrheit als Grundlage für einen Kulturkreis (z. B. hinduistischer Kulturkreis) und dann wieder sprachliche und geographische Gegebenheiten (z. B. Lateinamerika).

● Huntingtons Absatz sei – so sagen die Kritiker, eurozentrisch (aus der Sicht des Westens geschrieben) und konservativ. Aus dieser eurozentrischen Perspetive heraus erscheint „der Islam“ als „Bedrohung“ westlicher Werte     

Von einem einheitlichen islamischen Kulturkreis ist aber heute nicht auszugehen, vielmehr exististiert eine Spaltung der islamischen Welt: Die beiden großen Glaubensrichtungen des Islam - Schiiten und Sunniten – stehen sich in vielen Staaten (z.B. in Irak, Syrien und im Libanon) feindlich gegenüber. Die Mehrzahl der Opfer des im Namen von IS-Truppen geführten „heiligen Krieges“ sind Anhänger des Islam.

Die blutigsten Konflikte finden heute also innerhalb von Zivilisationen statt, nicht zwischen ihnen. In den Bürgerkriegen im Irak und Syrien sind wohl mehr Menschen gestorben als bei der US-Invasion im Irak.

● Es findet also in Wahrheit kein Kampf der Kulturen oder gar der Religionen statt, entscheidend ist vielmehr ein anderer Konflikt: Auf der einen Seite stehen die Anhänger und Profiteure der mit der Globalisierung  einhergehenden Modernisierung gesellschaftlicher Werte. Diese finden sich nicht nur in der westlichen, sondern auch in in islamischen Welt - z. B. in Dubai, oder in den wirtschaftlich erstarkenden kurdischen Gebieten der Türkei in Anatolien. Widerstand gegen eine Modernisierung gesellschaftlicher Werte leisten häufig Menschen, die im globalen Wettbewerb nicht mehr mithalten können. Diese finden sich nicht nur in der wirtschaftlich schwachen Regionen der islamischen Welt, sondern auch Welt.

● Er wird von der Friedensforschung kritisiert, da er zu einer Rechtfertigung von Kriegen des Westens gegen die islamische Welt genutzt werden könne.


Filmtipp: Stop the Clash of Civilizations
https://www.youtube.com/watch?v=WWyJJQbFago