Was ist der Mensch? - Grundannahmen der Anthropologie - Unterrichtsstunde vom 19.08.2017 in Klasse 9b


Der Biologe Adolf Portmann (1897-1987) sagte:

Der Mensch ist eine „physiologische Frühgeburt“

Er erreicht erst ein Jahr nach der Geburt den Ausbildungsgrad, den vergleichbare Säugetiere zur Zeit der Geburt haben: So erlernt der Mensch z. B. den aufrechten Gang (im Vergleich zu anderen höheren Säugetieren wie Elefant oder Pferd) recht spät.

Da der Mensch hilflos zur Welt kommt und auf Totalversorgung angewiesen ist, ist er früh für die Welt und für soziale Kontakte offen:

Das Jahr, das der Mensch „zu früh zur Welt kommt“, bleibt keineswegs ungenutzt:

Das erste Lebensjahr, dass der Säugling in „der sozialen Gebärmutter“ der Familie verbringt, ist der der Raum für sensible Phasen: In diesem Zeitraum entwickelt der Säugling eine feste Bindung zu einer Dauerpflegeperson (in der Regel ist dies die Mutter) und gewinnt ein Urvertrauen in die Welt. Und er erlernt - nahezu spielerisch - die Grundlagen der Sprache.

 

Ist z. B. die (innerhalb der ersten Lebensjahre liegende) sensible Phase für den Spracherwerb  ungenutzt verstrichen, so läuft der Spracherwerb sehr viel mühevoller ab: Die für den Spracherwerb wichtigen synaptischen Kontakte (Synapsen = Verbindungen zwischen den Nervenzellen) sind in den ersten Lebensjahren darauf angewiesen, ein "sprechendes" Umfeld zu haben: Ist dies nicht vorhanden, verkümmern die Nervenzellverschaltungen wieder.


Der Soziologe Arnold_Gehlen (1904-1976) sagte:

Der Mensch ist ein „Mängelwesen“

Er wird geboren …

- ohne natürliche Waffen

- ohne Schutz- und ausreichende Fluchtorgane

- mit relativ leistungsschwachen Sinnesorganen

- mit reduzierten Instinkte

Ein Ausgleich der Naturdefizite ist dem Menschen möglich durch seine

"Weltoffenheit", d. h.:

a) Er hat zwar reduzierte Instinkte, ist damit aber als ein nicht (auf Instinkte) festgelegtes, lernfähiges Wesen offen für eine flexible Anpassung an seine Umwelt: Der Mensch kann sich nicht auf seine Instinkte verlassen, er muss lernen und ist damit aber offen, sich flexibel an verschiedene Umweltbedingungen anzupassen.

b) Mehr noch: Der Mensch – ohne Schutzorgane geboren - ist darüber hinaus in der Lage, seine Umwelt zu seinen Gunsten zu verändern und ist offen für kulturelle Leistungen: Er ist fähig, sich Waffen und schützende Kleidung zu fertigen,

Um überleben zu können, schafft der Mensch sich eine Kultur (= Ersatz-Natur) mit Kleidung, Landwirtschaft, Staudämmen, Panzern…

 

Dazu ist die (über Sprache vermittelte) Weitergabe von Wissen von Generation zu Generation (= Enkulturation, Sozialisation i. e. S.) notwendig. 


Es können drei Aspekte von Sozialisation unterschieden werden: 

1. Die Soziabilisierung (die emotionale Fundierung im 1. Lebensjahr)

2. Die Enkulturation (das Hereinwachsen in die jeweilige eigene Kultur) 

 

3. Die Individuation (der Weg zu einem eigenen Normen und Werten)



Einführung in die Pädagogik: Anthropologie (Vorlesung 11, Prof. Huppertz)

 

https://www.youtube.com/watch?v=bwoK6g_Twe8


 

Einführung in die Pädagogik: Anthropologie (Vorlesung 11, Prof. Huppertz)

 

https://www.youtube.com/watch?v=bwoK6g_Twe8

Sendeminute 30:

Der Anthropologe Arnold Gehlen (1904-1976) betrachtet den Menschen als „ein unspezialisiertes Mängelwesen:

 

- er ist organisch mittellos

- ohne natürliche Waffen

-, ohne Angriffs-, Schutz- oder Fluchtorgane

- mit Sinnen von nicht bedeutender Leistungsfähigkeit, denn jeder unserer Sinne wird von den Spezialisten im Tierreich weit übertroffen.“

 

Ein anderer Gesichtpunkt, unter den Arnold Gehlen den Menschen gesehen hat, ist die so genannte „Instinktreduktion“. Gehlen weist darauf hin, dass beim Säugling nur Fragmente von Instinkten vorhanden sind, (etwa der Klammerreflex oder das Saugverhalten), dass aber der Mensch das instinktreduzierte Wesen sei.

 

Da wird man nun der Frage nachgehen – ist das Vorteil oder ist das Nachteil, ist das Ärmlichkeit oder ist das Reichtum? …

 

Der Zoologe Portmann (1897-1982) betrachtet den Menschen als so genannte „physiologische Frühgeburt“ oder als „normalisierte Frühgeburt“. Er weist auf die Sonderstellung der menschlichen Schwangerschaft hin. „Sie entspricht nicht der vollen Tragzeit, … die einem Säugtier von der Organisationshöhe des Menschen angemessen wäre.“

Der Mensch wird hier als „sekundärer Nesthocker“ bezeichnet. Er erreicht erst ein Jahr nach der Geburt „den Ausbildungsgrad, den ein seiner Art entsprechendes Säugetier zur Zeit der Geburt verwirklichen müsste.“

Ich stelle noch einmal die Frage: Ist das Armut … oder ist das Reichtum.

Mein Fazit ist, das das Reichtum ist und das der Mensch in seiner „Weltoffenheit“ geanu das Wesen ist, das erforderlich ist, damit so etwas wie „Bildung“ stattfinden kann.

 

Gerade deshalb, weil der Mensch das nichtfestgelegte Wesen ist, steht ihm der Reichtum seiner Welt – nicht seiner Umwelt, sondern überhaupt seiner Welt zur Verfügung.

 

Quelle: Einführung in die Pädagogik: Anthropologie (Vorlesung 11, Prof. Huppertz)

 

https://www.youtube.com/watch?v=bwoK6g_Twe8 ab Sendeminte 30. 


Beim Menschen hält das fötale Wachstum bis zum Abschluss des 1. Lebensjahres an. 

 


Adolf Portmann

Adolf Portmann (* 27. Mai 1897 in Basel; † 28. Juni 1982 in Binningen) war ein Schweizer BiologeZoologeAnthropologe und Naturphilosoph.

1941 veröffentlichte er erstmals einen Beitrag zur Sonderstellung des Menschen in der Natur aus ontogenetischer wie phylogenetischer Sicht.[1] In den folgenden Jahren veröffentlichte Portmann kontinuierlich weitere Beiträge zur Sonderstellung des Menschen in der Natur und behandelte verstärkt die ersten Lebensjahre des Menschen aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht.

Portmann kontinuierlich weitere Beiträge zur Sonderstellung des Menschen in der Natur und behandelte verstärkt die ersten Lebensjahre des Menschen aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht. Diese Sonderstellung des „physiologisch völlig unspezialisierten“, in seiner Entwicklung offenen Menschen unterscheide ihn als „ewig Werdender“ von allen anderen physiologisch höchst spezialisierten, „so-seienden“ Lebewesen. Er prägte die Begriffe der „physiologischen Frühgeburt“ undNesthocker“ bzw. „Nestflüchter“,[2] welche auch heute noch Verwendung finden. Der Mensch ist einer späteren Arbeit von ihm zufolge ein „sekundärer Nesthocker“ mit einer offenen Präge- und Lernphase im „sozialen Uterus“ der Familie.

Diese Überlegungen Portmanns wurden in der philosophischen Anthropologie aufgegriffen, insbesondere bei Arnold Gehlen, der den Begriff des Mängelwesens prägte, den Portmann wiederum kritisiert hat.[3]

Wissenschaftliche Themen

Der Begriff der physiologischen Frühgeburt besagt, dass der Mensch, im Vergleich zu Tieren, viel zu früh geboren werde. Zwar komme es zu einer Reifung der offenen Sinnesorgane und des Bewegungssystems im Mutterleib, trotzdem sei der Mensch aber zum Zeitpunkt seiner Geburt völlig hilflos und auf Totalversorgung angewiesen.

Diese Tatsache stehe im Gegensatz zum Reifestand anderer höherer Säugetiere bei der Geburt (z. B. Elefant, Pferd).

Kennzeichnend für den Menschen ist nach Portmann infolge dieser Vorverlegung der Geburt, dass viele Entwicklungsprozesse nicht isoliert, sondern eingebettet in eine soziokulturelle Umgebung stattfinden.

Durch seine Angewiesenheit sei der Mensch für soziale Kontakte und Umwelteinflüsse offen. Diese Offenheit ist für Portmann die Voraussetzung für kulturelles und geistiges Lernen.

Quelle: Seite „Adolf Portmann“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 7. März 2017, 13:21 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Adolf_Portmann&oldid=163357971 (Abgerufen:

12. August 2017, 08:26 UTC)

Mängelwesen

Das Mängelwesen ist ein von Arnold Gehlen geprägter und in seinem 1940 erschienenen ersten Hauptwerk Der Mensch Seine Natur und seine Stellung in der Welt in die Philosophische Anthropologie eingeführter Begriff, der den Menschen anderen Spezies als physisch und morphologisch unterlegen darstellt. Diese Nachteile sind biologische Unangepasstheiten des Menschen an seine natürliche Umwelt. Um trotzdem überleben zu können, schafft der Mensch als „Prometheusdie Kultur als Ersatz-Natur oder „zweite Natur“.

Mängel des Menschen

In seinen anthropologischen Überlegungen zählt Gehlen sowohl körperliche als auch psychisch-geistige Unangepasstheiten an die Umwelt auf. Zu den körperlichen Mängeln gehören zum Beispiel das Fehlen von Angriffsorganen (Klauen, geeignetem Gebiss) und eines Körperbaus, der eine schnelle und ausdauernde Flucht ermöglichen könnte, sowie seine Schutzlosigkeit gegenüber der Witterung (durch unzureichende Körperbehaarung). Für psychische Nachteile hält er den „fast lebensgefährlichen Mangel an echten Instinkten und die Reizüberflutung, die eine erhebliche Belastung darstelle. Gehlen kommt daher zu dem Schluss, dass der Mensch innerhalb natürlicher Bedingungen „inmitten der gefährlichsten Raubtiere“ schon längst ausgerottet sein müsste.

Schaffung der Kultur

Die genannten Mängel der Reizüberflutung bieten dem Mängelwesen Mensch aber auch Vorteile. Durch seine „Weltoffenheit“ wird der Mensch dazu gezwungen „sich [zu] entlasten, d.h. die Mängelbedingungen seiner Existenz eigentätig in Chancen seiner Lebensfristung um[zu]arbeiten.“[3] Anstatt sich seiner Umwelt anzupassen, was aufgrund seiner physischen Eigenschaften oft nicht möglich ist, verändert er selbige, so dass sie seinen Zwecken dienlich ist.

Der Mensch kann also nur durch die Umwandlung der Natur in eine Ersatz-Natur überleben, darüber hinaus ist es ihm möglich, da er ein nicht spezialisiertes Wesen ist, unter verschiedensten Bedingungen zu leben. Die von ihm als „Prometheus“ erschaffene Ersatz-Natur bezeichnet Gehlen als Kultur.

Seite „Mängelwesen“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 23. Januar 2017, 21:28 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=M%C3%A4ngelwesen&oldid=161933587 (Abgerufen:

12. August 2017, 08:47 UTC)

Weltoffenheit

Weltoffenheit ist ein Begriff aus der philosophischen Anthropologie. Er bezeichnet die Entbundenheit des Menschen von organischen Zwängen (Trieben) und seiner unmittelbaren Umwelt und betont seine Öffnung hin zu einer von ihm selbst hervorgebrachten kulturellen Welt.

Hiermit geht einher, dass der Mensch ohne festgelegte Verhaltensmuster geboren wird und sich Verhaltenssicherheit in der Welt immer erst erwerben muss.

Umgangssprachlich bezeichnet der Begriff eine Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen. So kann beispielsweise ein Mensch oder eine Gesellschaft weltoffen sein, man spricht etwa von einer „weltoffenen Stadt“.

20. Jahrhundert

In der Anthropologie Arnold Gehlens nimmt der Begriff "Weltoffenheit" eine zentrale Bedeutung ein. Während das Tier - aut Gehlen - den aus der Umwelt empfangenen Reizen unmittelbar ausgesetzt ist, ist der Mensch umweltenthoben und kann sich frei zu den Reizen verhalten, d. h. ist weltoffen für sie. Begründet ist dies u. a. in einer organischen Mittellosigkeit und Unspezialisiertheit des Menschen, welche ihn als Mängelwesen (Herder) dazu zwingen, sich selbst Orientierungs- und Sinnstrukturen zu schaffen. Der Mensch ist also ein Kultur produzierendes Wesen, welches sich durch voraussehendes, geplantes und gemeinsames Handeln auszeichnet, weshalb er von Gehlen als „Prometheus“ (gr.: der Vorausdenkende; Figur in der gr. Mythologie) bezeichnet wird. Er ist biologisch zur Naturbeherrschung gezwungen.

Seite „Weltoffenheit“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 14. Februar 2017, 19:22 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Weltoffenheit&oldid=162648594 (Abgerufen:

12. August 2017, 08:39 UTC)