Sozistunde 12037 - Soziale Milieus in der Wahl- und Parteienforschung


Unterrichtsmaterial: Sk 12030 Modelle der Wahlforschung und der Parteienforschung

Politbarometer – Demoskopie – Ann-Arbor-Modell – Cleavage-Theorie – Soziale Milieus – Begriff der Volkspartei – Niedergang der Volksparteien – Phasen in der Entwicklung des bundesdeutschen Parteiensystems- Fluides Fünfparteiensystem    
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Unterrichtsmitschrift von Björ Oldach (KE12) am 26.11.2018 

Seit den 1960er-Jahren fand der Begriff in Deutschland durch Mario Rainer Lepsius Eingang in die politische Kulturforschung und insbesondere in eine historisch orientierte Erforschung des kulturell überformten Wahlverhaltens. Lepsius begründet die relativ dauerhaften Wählerpräferenzen während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik mit der Zugehörigkeit zu sozialmoralischen Milieus, die er definiert als „soziale Einheiten, die durch eine Koinzidenz mehrerer Strukturdimensionen wie Religion, regionale Tradition, wirtschaftliche Lage, kulturelle Orientierung und schichtspezifische Zusammensetzung der intermediären Gruppen, gebildet werden“.[9] Er unterscheidet für die betreffende Zeit vier solcher Sozialmilieus:

 

 

Vor allem seit den 1980er-Jahren nahm die Bedeutung des Konzepts zu. Gerade in der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte hat es deutlich an Gewicht gewonnen. Es wurde geradezu zu einem Nachfolgeparadigma für zu materialistische Ansätze. Dazu trug nicht zuletzt Karl Rohe mit einer an Max Weber orientierten Interpretation bei.[10]

Sowohl die Entstehung wie auch die Auflösung der großen historischen Milieus waren stark abhängig von bestimmten sozialen oder politischen Prozessen. Die Milieubildung wurde im Fall der Katholiken stark vom Kulturkampf und bei den Sozialisten von den Folgen der Sozialistengesetze bestimmt.

In der Forschung ist freilich umstritten, ob man von einem liberalen oder konservativen Milieu überhaupt sprechen kann. Weitgehend einig ist man sich über das Bestehen eines sozialdemokratischen und eines katholischen Milieus. Deren Strukturen haben während des Kaiserreiches und der Weimarer Republik das Leben der ihnen Zugehörigen „von der Wiege bis zur Bahre“ in hohem Maße beeinflusst. 

Sowohl die Entstehung wie auch die Auflösung der großen historischen Milieus waren stark abhängig von bestimmten sozialen oder politischen Prozessen. Die Milieubildung wurde im Fall der Katholiken stark vom Kulturkampf und bei den Sozialisten von den Folgen der Sozialistengesetze bestimmt.

In der Forschung ist freilich umstritten, ob man von einem liberalen oder konservativen Milieu überhaupt sprechen kann. Weitgehend einig ist man sich über das Bestehen eines sozialdemokratischen und eines katholischen Milieus. Deren Strukturen haben während des Kaiserreiches und der Weimarer Republik das Leben der ihnen Zugehörigen „von der Wiege bis zur Bahre“ in hohem Maße beeinflusst.

Zum Teil umstritten in der Forschung ist die Frage, wann die großen historischen Milieus ihren Bedeutungshöhepunkt überschritten hatten. Einige sehen erste Erosionstendenzen bereits während der Weimarer Republik, andere betonen die egalisierende Wirkung und den Terror der nationalsozialistischen Herrschaft, wieder andere sehen den Bruch in der SED-Diktatur im Osten und den Folgen des „Wirtschaftswunders“ im Westen. Dabei haben etwa neue Freizeitangebote oder allgemeine Säkularisierungsprozesse die Bedeutung der Milieus immer stärker eingeschränkt. Seit den 1960er und spätestens den 1970er Jahren spielen die alten Milieustrukturen kaum noch eine Rolle.

 

Lebensarttypisierung und Wahlanalyse der gegenwärtigen Gesellschaft

 

An ihre Stelle traten zahlreiche unterschiedliche Lebensstile und andere Merkmale sozialer Differenzierung. Für den Außenstehenden etwas verwirrend ist, dass sich auch die Lebensstil- und Ungleichheitsforschung seit den 1980er Jahren immer stärker auf den Milieubegriff zurückgreift, damit aber etwas ganz anderes als die „historischen Milieus“ meint.

Die Lebensstilforschung geht davon aus, dass durch die zunehmende Pluralisierung der Gesellschaften und die Individualisierung der Lebensstile die vormals enge Verknüpfung zwischen sozialer Lage und Milieus entkoppelt wird, auch wenn soziale Milieus weiterhin nach Status und Einkommen hierarchisch eingeordnet werden können.



vgl.: Grafik: Verteilung der Wahlberechtigten auf die Sinus-Milieus

KURZ ERKLÄRT:  Die Diagonale trennt die Gesellschaft grob in zwei Hälften – die Modernisierungsskeptiker unterhalb der Diagonalen und die Modernisierungsbefürworter oberhalb der Diagonalen. Dabei zeigt sich sehr deutlich: Die Wähler der GRÜNEN, DIE LINKE, FDP, SPD und CDU/CSU sind mehrheitlich den Modernisierungsbefürwortern zuzuordnen. Das Vakuum unterhalb der Diagonalen füllt nun die AfD – 65 Prozent ihrer Wähler stammen aus den Milieus der Traditionellen, der Prekären, der Bürgerlichen Mitte, dem konsumorientierten Teil der Hedonisten sowie der Hälfte der Konservativ-Etablierten.

Das [moderne] Konzept der sozialen Milieus wurde in der Wahlforschung und in der Marktforschung aufgegriffen und weiterentwickelt. Hier werden unterschiedliche, empirisch gewonnene Milieutypologien verwendet und mit Einstellungen in Verbindung gebracht, die bestimmte Konsumorientierungen und Wahlverhalten hervorbringen.

Soziale Milieus beschreiben hier Menschen mit jeweils charakteristischen Einstellungen und Lebensorientierungen. Sie fassen, ganz allgemein gesprochen, soziale Gruppen, also Menschen zusammen, deren Wertorientierungen, Lebensziele, Lebensweisen – und damit auch ihre zentralen Konsummuster – ähnlich sind.

Die Milieuanalyse zielt auf den ganzen Menschen, versucht also nicht, wie z. B. die herkömmliche Gesellschaftsanalyse, ein einziges oder einige wenige objektive Merkmale (z. B. Schichtzugehörigkeit, Berufsgruppe) typisierend zu verdichten. Umgekehrt isoliert sie auch nicht ein einziges oder einige wenige subjektive Merkmale des Alltagslebens, Geschmacks oder des Lebensstils, um Markt und Gesellschaft als strukturlose Agglomeration kurzatmiger Moden und Geschmackskulturen erscheinen zu lassen.

Die Milieuforschung versucht vielmehr alle jene – subjektiven wie objektiven – Merkmale empirischer Analyse zugänglich zu machen, die die soziokulturelle Identität des Verbrauchers konstituieren (Wertorientierungen, soziale Lage, Lebensziele, Arbeitseinstellungen, Freizeitmotive, unterschiedliche Aspekte der Lebensweise, alltagsästhetische Neigungen, Konsumorientierungen usw.).


Sinus-/Sigma-Milieus

 


Sinus-Milieus

 

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Die Sinus-Milieus sind eine vom Markt- und Sozialforschungsunternehmen Sinus-Institut entwickelte Gesellschafts- und Zielgruppen-Typologie für mehr als 40 Länder, die auf sozialen Milieus basiert. Sie wird laut der Fachzeitschrift „media & marketing“ in Deutschland zu den bedeutendsten Ansätzen in der Zielgruppenforschung gezählt.[1]

Seite „Sinus-Milieus“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 28. September 2018, 11:19 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sinus-Milieus&oldid=181298206 (Abgerufen: 25. November 2018, 20:31 UTC)

"Die Sinus Milieus - Auch im Internet" von Jan Hecht
https://www.youtube.com/watch?v=yY1sDPQiQ1E&t=217s

Gruppen

 

Die Sinus-Milieus gruppieren Menschen, die sich in ihrer Lebensauffassung und Lebensweise ähneln (vgl. Lebenswelt). Die Milieu-Einteilung erfolgt entlang zweier Dimensionen: „Soziale Lage“ (Unter-, Mittel- oder Oberschicht) und „Grundorientierung“ („Tradition“, „Modernisierung/Individualisierung“ und „Neuorientierung“). Grundlegende Wertorientierungen werden dabei ebenso berücksichtigt wie Alltagseinstellungen (zu Arbeit, Familie, Freizeit, Konsum, Medien etc.). Soziodemografische Variablen (Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen etc.) dienen der näheren Beschreibung der Milieus[2].

Die Sinus-Milieumodelle werden kontinuierlich an die soziokulturellen und sozialstrukturellen Veränderungen in den jeweiligen Gesellschaften angepasst. Das aktuelle Sinus-Milieumodell für Deutschland besteht aus diesen zehn Gruppen (Stand: 2018):

 

Sinus-Milieu-Modell für Deutschland 2018. Die Sinus-Milieus gruppieren Menschen in Gruppen Gleichgesinnter entlang zweier Dimensionen (Soziale Lage und normative Grundorientierung). Die Überschneidungen der „Kartoffeln“ zeigen an, dass die Übergänge zwischen den Milieus fließend sind.

 

Milieu-Gruppen Sinus-Milieu

(in Deutschland)

Kurzbeschreibung Bevölkerungsanteil (in %)

Deutschland 2018[3]

Sozial gehobene Milieus/

Gesellschaftliche Leitmilieus

Konservativ-Etablierte Das klassische Establishment: Verantwortungs- und Erfolgsethik; Exklusivitäts- und Führungsansprüche, Standesbewusstsein; zunehmender Wunsch nach Ordnung und Balance 10 %
Liberal-Intellektuelle Die aufgeklärte Bildungselite: kritische Weltsicht, liberale Grundhaltung und postmaterielle Wurzeln; Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstentfaltung 7 %
Performer Die multi-optionale, effizienz-orientierte Leistungselite: globalökonomisches Denken; Selbstbild als Konsum- und Stil-Avantgarde; hohe Technik und IT-Affinität; Etablierungstendenz, Erosion des visionären Elans 8 %
Expeditive Die ambitionierte kreative Avantgarde: Urbane Styler: jung, hip, nonkonformistisch; globale Mobilität: mental, kulturell, sozial, geographisch; Leistungsorientiert – aber kein klassisches Karrieredenken, auf der Suche nach neuen Grenzen und Lösungen

Elite der Zukunft

8%
Milieus der Mitte Adaptiv-Pragmatische Die moderne junge Mitte: Ausgeprägter Lebenspragmatismus, Realismus und Nützlichkeitsdenken; Leistungs- und anpassungsbereit, aber auch Wunsch nach Spaß und Unterhaltung; Zielstrebig, flexibel, aufgeschlossen – gleichzeitig starkes Bedürfnis nach Verankerung und Zugehörigkeit

Klassische Familie der Zukunft

10 %
Bürgerliche Mitte Der leistungs- und anpassungsbereite bürgerliche Mainstream: generelle Bejahung der gesellschaftlichen Ordnung; Wunsch nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und harmonischen Verhältnissen; wachsende Überforderung und Abstiegsängste 13 %
Sozialökologisches Milieu Engagiert gesellschaftskritisches Milieu mit normativen Vorstellungen vom „richtigen“ Leben: ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen; Globalisierungs-Skeptiker, Bannerträger von Political Correctness und Diversity (Multikulti) 7 %
Milieus der unteren Mitte/

Unterschicht

Traditionelle Die Sicherheit und Ordnung liebende ältere Generation: verhaftet in der kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur; Sparsamkeit und Anpassung an die Notwendigkeiten; zunehmende Resignation und Gefühl des Abgehängtseins 13 %
Prekäre Die um Orientierung und Teilhabe („dazu gehören“) bemühte Unterschicht: Wunsch, Anschluss zu halten an die Konsumstandards der breiten Mitte – aber Häufung sozialer Benachteiligungen, Ausgrenzungserfahrungen, Verbitterung und Ressentiments 9 %
Hedonisten Die spaß- und erlebnisorientierte modernde Unterschicht/ untere Mitte: Leben im Hier und Jetzt, unbekümmert und spontan; häufig angepasst im Beruf, aber Ausbrechen aus den Zwängen des Alltags in der Freizeit 15 %

 

 

Seite „Sinus-Milieus“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 28. September 2018, 11:19 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sinus-Milieus&oldid=181298206 (Abgerufen: 25. November 2018, 20:31 UTC)


Die Sigma-Mileus




NMR Medienforschung: Was darf Satire? - Sinus-Milieus | NEO MAGAZIN ROYALE
https://www.youtube.com/watch?v=BopbarMUONc