Sozistunde 12305 Vertragstheorien - James Madison und die Konkurrenztheorie/Pluralismustheorie der Demokratie


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Sk 12300 Politische Theorie 1 - Vertragstheorien - Neuzeitliche Legitimation politischer Herrschaft
Behandelt werden: Hobbes, Locke, Rousseau und Identitätstheorie der Demokratie, Madison und Konkurrenztheorie der Demokratie, Pluralismustheorie



Unterrichtsmitschrift von Björ Oldach am 06.03.2019


Filmtipps: Federallist Paper No. 10

AP United States Government Project: The Federalist Papers #10

https://www.youtube.com/watch?v=Uu3POpPbZcw

 

Federalist Number 10

https://www.youtube.com/watch?v=IhoYPfwo2ww

 

Federalist Paper #51 Explained: American Government Review

https://www.youtube.com/watch?v=5FQ_Y2FUa6Q

 

Federalist NO. 10 : WHAT YOU SHOULD KNOW!

https://www.youtube.com/watch?v=247Hd1WO1EY

 

Federalist 10

https://www.youtube.com/watch?v=8Db2oxalDvM


Rousseaus Demokratieauffassung ist in Teilen anti-parlamentarisch und anti-pluralistisch. Dies stieß beispielsweise auch auf die Kritik der amerikanischen Verfassungsväter, die 1787 in bewusster Abgrenzung zu Rousseau eine repräsentative, auf Gewaltenteilung basierende Demokratie entwarfen.

Sie fragten, wie ein großer Territorialstaat so eingerichtet und verfasst werden könnte, dass er demokratischen Ansprüchen genügte.

Dabei stellten sie die veränderten sozialen, ökonomischen und kulturellen Bedingungen in Rechnung, die Rousseau für die identitäre, "reine" Demokratie vorausgesetzt hatte. Gerade weil die von Rousseau genannten vier Grundlagen der "einfachen" Demokratie [einen "sehr kleinen Staat", eine "Einfachheit in den Sitten", eine "weitgehende Gleichheit der gesellschaftlichen Stellung und der Vermögen" sowie "wenig oder gar keinen Luxus] in ihren Augen nicht mehr bestanden, war die direkte, unmittelbare Demokratie Athens nicht mehr praktizierbar.

Rousseau hatte diese Konsequenz gescheut, die amerikanischen Federalists zogen sie: Die Transformation zur repräsentativen, parlamentarischen Demokratie war das Gebot der Stunde.

https://www.bpb.de/175902/wege-zur-modernen-demokratie?p=all



Eine einheitliche Verfassung kam zunächst nur in Form eines Staatenbundes zustande. Die Articles of Confederation wurden 1781 – von den Staaten, nicht dem Volk – verabschiedet. Sie etablierten nur lose Bindungen zwischen den Staaten mitsamt ihren verschiedenen Interessen, und ihre Institutionen schienen so schwach, dass die Probleme der Finanzierung von Revolution und Unabhängigkeitskrieg sowie die Frage einer gemeinsamen Außenhandelspolitik nicht gelöst werden konnten. So kam es 1787 in Philadelphia zum Versuch, eine neue Verfassung für einen Bundesstaat zu entwerfen. Die Befürworter des Entwurfs waren die "Federalists". Sie entwickelten eine Demokratietheorie für den modernen Nationalstaat. In der leidenschaftlichen Diskussion zwischen den "Federalists" und ihren Gegnern, den "Anti-Federalists", die den Entwurf ablehnten, spielte auch noch ein – nicht anwesender – Dritter eine entscheidende Rolle, ein französischer Philosoph, von dessen eigener Demokratietheorie sich die Federalists distanzierten. Die moderne Demokratie stand am Scheideweg.


Die Federalist Papers (deutsch: „Föderalistenartikel“) waren eine Serie von 85 Artikeln, die 1787/88 in verschiedenen Zeitungen New Yorks erschienen, mit dem Zweck, die Bevölkerung des Staats von der 1787 entworfenen, aber noch nicht von allen Mitgliedsstaaten der USA ratifizierten Verfassung zu überzeugen.

Die Autoren der Artikel, die in Anspielung auf den römischen Konsul Publius Valerius Poplicola unter dem gemeinsamen Pseudonym „Publius“ auftraten, waren Alexander Hamilton, James Madison und John Jay, drei der Gründerväter der Vereinigten Staaten. Ihre Texte erschienen noch 1788 gemeinsam in der Schrift „The Federalist“, von der sich ihr heutiger Name herleitet. Er bezieht sich auf die politische Gruppierung der Föderalisten, die in der Verfassungsdebatte dafür eintraten, die USA von einem lockeren Staatenbund in einen Bundesstaat mit einer starken, handlungsfähigen Exekutive auf Bundesebene umzuwandeln. Da dieser Standpunkt sich schließlich durchsetzte, gelten die Federalist Papers bis heute als authentischer Verfassungskommentar der Generation der Gründerväter und darüber hinaus als grundlegende theoretische Schrift der modernen, repräsentativen Demokratie.


Seite „Federalist Papers“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. März 2019, 11:39 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Federalist_Papers&oldid=186209527 (Abgerufen: 5. März 2019, 18:53 UTC)




The Federalist Papers 1788 / 1789 Alexander Hamilton, James Madison and John Jay (Originalsprache: Englisch)

 

The Union as a Safeguard Against Domestic Faction and Insurrection From the New York Packet. Friday, November 23, 1787. MADISON / No. 10

 

Quelle: Adams V. A. / Adams W. P. (Hrsg..), Die Federalist-Artikel. Politische Theorie und Verfassungskommentar der amerikanischen Gründerväter, mit dem englischen und deutschen Text der Verfassung der USA, Paderborn 1994.

 

Nr. 10 von PUBLIUS (Madison)

 

(1) Unter einer Faktion verstehe ich eine Gruppe von Bürgern, – das kann eine Mehrheit oder eine Minderheit der Gesamtheit sein, – die durch den gemeinsamen Impuls […] eines Interesses vereint [...]ist, welcher im Widerspruch zu den Rechten anderer Bürger oder dem [...] Interesse der Gemeinschaft steht. [Eine Faktion ist also eine Gruppe mit Sonderinteressen.]

 

(5) […] Solange die menschliche Vernunft fehlbar ist, und der Mensch frei ist, sie zu benutzen, wird es unterschiedliche Meinungen geben.

 

(7) Die latenten Ursachen für Faktionen sind […] in der menschlichen Natur angelegt: … unterschiedliche Meinungen in Glaubensdingen, in Fragen des politischen Systems […] So stark ist dieser Hang der Menschheit, sich feindselig gegeneinander zu stellen, dass es auch dann dazu kommt, wenn kein wirklicher inhaltlicher Anlass besteht.

 

[…] Aber die vorherrschende und permanente Ursache für die Existenz unterschiedlicher Faktionen liegt in der vielfältigen und ungleichen Eigentumsverteilung. Die Besitzenden und die Besitzlosen haben schon immer getrennte gesellschaftliche Interessen gebildet.

 

[…] Diese vielfältigen und widersprüchlichen Interessen zu regulieren, ist die vordringliche Aufgabe moderner Gesetzgebung, die auch Parteigeist und Interessengegensätze in die nötigen und normalen Funktionen eines Regierungssystems einbeziehen muss. […]

 

(11) […] Wenn die Mehrheit […] Teil einer Faktion ist, dann ermöglicht die Form eines demokratischen [...] Regierungssystems es dieser Faktion, das öffentliche Wohl und die Rechte anderer Bürger [...] ihrem Interesse zu opfern. Wie das öffentliche Wohl und individuelle Rechte vor der Gefahr einer solche Faktion geschützt und gleichzeitig Geist und Form eines demokratischen [popular] Regierungssystems gewahrt werden können, ist der zentrale Gegenstand unserer Untersuchung.

 

(13) [Man kommt] zu dem Schluss, dass eine reine Demokratie – womit ich ein Gemeinwesen meine, das aus wenigen Bürgern besteht, die sich in personam versammeln und die Regierungsgewalt selbst ausüben – kein Heilmittel gegen die schädlichen Folgen von Faktionen kennt.

 

In fast allen Fällen wird die Mehrheit von einer gemeinsamen Leidenschaft oder einem gemeinsamen Interesse erfasst werden; aus der Regierungsform selbst resultiert die Möglichkeit, von Kommunikation und Konsens; und es gibt nichts, was den Impuls hemmen könnte, die schwächere Partei oder eine missliebige Person den eigenen Interessen zu opfern. Von daher sind solche Demokratien von jeher Schauplatz von Unruhen und Konflikten gewesen [...]

 

(14) Eine Republik, womit ich ein Regierungssystem meine, in dem das Konzept der Repräsentation verwirklicht ist, eröffnet ganz andere Perspektiven und bietet das Heilmittel, nach dem wir suchen. Analysieren wir die Punkte, in denen sich Republik und reine Demokratie unterscheiden, dann wird die Art des Heilmittels verständlich und seine Wirkung, die es gerade aus der Union beziehen wird.

 

(15) Die beiden entscheidenden Unterschiede zwischen einer Demokratie und einer Republik sind: erstens, die Delegierung der Herrschaftsgewalt an eine kleine Zahl von den Übrigen gewählter Bürger in letzterer; zweitens, eine grössere Zahl von Bürgern und ein grösseres Territorium, auf das die Republik ausgedehnt werden kann.

 

(16) Der erste Unterschied bewirkt einerseits, eine Erweiterung des Horizonts und Differenzierung der öffentlichen Meinung, da sie das Medium eines gewählten Gremiums von Bürgern durchläuft, die aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrung das wahre Interesse des Landes am besten erkennen können, und deren Patriotismus und Gerechtigkeitsliebe kaum erwarten lassen, dass sie die […] parteilichen Überlegungen opfern werden.

 

Diese Wirkung kann sich aber in ihr Gegenteil verkehren. Männer, die durch einen parteiischen Charakter, lokale Vorurteile oder finstere Absichten motiviert sind, können sich durch Intrigen, Korruption oder andere Mittel zuerst die Stimmen bei der Wahl sichern und anschliessend die Interessen des Volkes verraten. Daraus ergibt sich die Frage, ob kleine oder grosse Republiken eher zur Wahl der wahren Wächter des öffentlichen Wohls beitragen,

 

(17) […] Wenn der Anteil fähiger und integrer Persönlichkeiten in der Bevölkerung einer grossen Republik nicht geringer ist als in einer kleinen, so ergibt sich […], dass man in ersterer eine grössere Auswahl und damit auch eine bessere Chance hat, die richtige Wahl zu treffen.

 

[…] (21) Daraus ergibt sich eindeutig, dass dieselben Vorteile für eine Beherrschung der Auswirkungen von Faktionen, die eine Republik gegenüber einer Demokratie verspricht, auch eine grosse gegenüber einer kleinen Republik bietet – und die Union gegenüber Einzelstaaten, aus denen sie sich zusammensetzt. Ist sie deshalb überlegen, weil nunmehr Volksvertreter gewählt werden, deren aufgeklärte Ansichten und tugendhafte Einstellungen sie lokalen Vorurteilen und Komplotten gegen die Gerechtigkeit entheben? Niemand wird bestreiten, dass am ehesten die Volksvertretung der Union diese unabdingbaren Eigenschaften aufweisen wird. Ist sie deshalb überlegen, weil sie durch ein grösseres Parteienspektrum mehr Sicherheit dagegen bietet, dass eine einzige Partei die Mehrheit erlangen und die übrigen unterdrücken könnte? Das grössere Parteienspektrum innerhalb der Union schafft in gleichem Maße mehr Sicherheit. Oder ist sie schliesslich überlegen wegen der grösseren Hemmnisse, die verhindern, dass die geheimen Wünsche einer ungerechten und eigennützigen Mehrheit koordiniert und in die Tat umgesetzt werden? Auch in diesem Punkt ist die Union aufgrund ihrer Grösse ganz offensichtlich überlegen.

 

[…]

 

(23) Die Ausdehnung und der richtige Aufbau der Union geben uns also ein republikanisches Heilmittel gegen die Schwächen an die Hand, die republikanischen Regierungssysteme am häufigsten eigen sind. Und je froher und stolzer wir darauf sind, Republikaner zu sein, desto eifriger sollten wir auch den Geist und Charakter von Föderalisten in uns hochhalten und pflegen.





Unterrichtsmitschrift von Björ Oldach am 07.03.2019



1. Was hält den Staat zusammen? Die Menschen leben in einem Staat zusammen, besitzen aber unterschiedliche, zum Teil gegensätzliche Interessen. Es sollte aber ein Konsens über die Spielregeln (Grundrechte, Verfassung) des Zusammenlebens bestehen.     

 

2. Das Menschenbild ist realistisch: Die Menschen streben nach eigenem Wohl und bilden Gruppen/Parteien mit Sonderinteressen („Faktionen“), haben aber auch eine Orientierung am (All-) Gemeinwohl.   

 

3. Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Staat: Der Staat hat die Aufgabe, die Spielregeln (vor allem durch eine geeignete Verfassung) zu setzen und (damit) einen Ausgleich zwischen den Sonderinteressen verschiedener Gruppen zu setzen.   

 

4. Existenz des (All-)Gemeinwohls: Es existiert kein von vornherein („a priori“) feststehendes (All-)Gemeinwohl, das Allgemeinwohl soll durch Interessenkonkurrenz gebildet werden

 

5. Legitimität gesellschaftlicher Teilinteressen: Teil- bzw. Sonderinteressen sind legitim und sollen durch konkurrierende Parteien vertreten werden. Gemeinwohl entsteht durch den legitimen Streit der Interessen ergibt.               

 

6. Weg der politischen Willensbildung - Repräsentative parlamentarische Demokratie:  

Die direkte Demokratie wird aufgrund ihrer Einschränkungen (nur für kleine, homogene Staaten geeignet) und Auswüchse (Populismus, Unterdrückung der Minderheit) abgelehnt. Nötig ist eine repräsentative parlamentarische  Demokratie: Entscheidungen werden von Volkvertretern (die wegen Erfahrung/Gemeinwohlorientierung gewählt werden), getroffen.

 

7. Vordenker d. Konkurrenztheorie: J. Locke u. die amerik. „Förderalisten“ (Madison); Weiterentwicklung (Pluralismustheorie): Ernst Fraenkel (1998-1975).





Pluralismus - Was meint das eigentlich genau? / von Dr. Christian Weilmeier

https://www.youtube.com/watch?v=wn19IdX_Ds8&t=1s 

 

Drei Dinge machen den Pluralismus aus.

1. Vielfalt der Meinungen, kein einheitliches Weltbild

2. Gemeinwohl wird im Nachhinein ("a posteriori") und nicht vorab ("a priori") definiert. Gemeinwohl entsteht erst im Laufe einer Debatte. 

3. Die Gesellschaft ist ein Spannungsfeld legitimer, gewünschter Konflikte.


Zur Diskussion - Kritik an der Pluralismustheorie: 

1. Personengruppen, die eine schwache Lobby haben, können nicht so stark mitreden. Das heißt: Schlecht organisierte Menschen (Arbeitslose, Schwache, junge Leute) können nicht so stark mitdiskutieren wie gut organisierte Kräfte.

2. Neue Kräfte haben es schwer, sich gegen etablierte Kräfte durchzusetzen.

vgl.: Pluralismus - Was meint das eigentlich genau? / von Dr. Christian Weilmeier
https://www.youtube.com/watch?v=wn19IdX_Ds8&t=1s




Unterrichtsmitschrift von Björ Oldach am 20.03.2019


ARD-alpha-Sendereihe: "Respekt" vom 22.02.2019
Pluralismus – warum die Demokratie von mehr Vielfalt profitiert
https://www.br.de/mediathek/video/respekt-22022019-pluralismus-warum-die-demokratie-von-mehr-vielfalt-profitiert-av:5c3f46dfee67a10018bcf169
bei YouTube:
https://www.youtube.com/watch?v=e1qLDGU8B4c