Sozistunde 12916 - Ohne das deutsche Volk? - Vorgeschichte des Lissabon-Urteil des BVG





Karikaturen zum Einstieg 

Ohne dem Deutschen Volke – Karikatur von Götz Wiedenroth
https://www.wiedenroth-karikatur.de/02_PolitKari080424.html

Bundesverfassungsgericht - Lissabon-Urteil Teil 1

https://youtu.be/mSAtC3EL4BE?t=52

erläutert von Dr. Thilo Brandner und Rechtsanwalt Burkhard Kötke 

Sendeminute 0:55: 

Dr. Thilo Brandner: Wir wollen uns heute also über den Vertrag von Lissabon bzw. über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Vertrag unterhalten. Worum ging es im Wesentlichen bei dem Vertrag von Lissabon? Vielleicht sollte man das noch einmal in Erinnerung rufen: Die Europäische Union [war nach dem Vertrag von Maastricht und vor dem Vertrag von Lissabon war] wie folgt organisiert: Wir hatten .... die Europäische Union, die als „Dach“ als solche keine [eigene] Rechtpersönlichkeit hatte, die aber auf drei Säulen beruhte:  Eine Säule war die Europäische Gemeinschaft [die aus Europäischen Gemeinschaften EGKS (bzw, Montanunion), Euratom und EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) hervorging.]  Die zweite Säule war die die Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS), die dritte Säule ist die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) […]

Sendeminute 1:52: 

Dr. Thilo Brandner: Der Vertrag von Lissabon enthält zahlreiche Änderungen, die auch der Erweiterung der EU geschuldet sind, die also vielfach organisatorischer Natur sind [und die die EU demokratischer und – z .B. durch die Ausweitung von Mehrheitsbeschlüssen -   effizienter machen sollten.]

Für uns interessant ist aber der Umstand, dass durch den Vertrag von Lissabon das Drei-Säulen-Modell abgelöst wird und die Europäische Union [eine] eigene Rechtspersönlichkeit mit eigenen Rechtssetzungskompetenzen bekommt.

Der Bundestag und der Bundesrat haben diesem Vertrag von Lissabon zugestimmt [per „Zustimmungsgesetz“]

Sie haben darüber hinaus in ein paar Punkten, die nicht weiter von Interesse sind, das Grundgesetz geändert; und sie haben ein [Begleit-]Gesetz [„Gesetzes über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union“] verabschiedet, das die Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat in EU-Angelegenheiten [insbesondere bei der Ausweitung von Mehrheitsbeschlüssen innerhalb der EU] neu regeln sollte.

Das Ganze ist – wie nicht anders zu erwarten - vor dem Bundesverfassungsgericht gelandet. [Der bayerische Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler (CSU), der bereits 2005 gegen den Europäischen Verfassungsvertrag geklagt hatte, und die Bundestagsfraktion der Linken beantragte ein Organstreit-Verfahren vor dem BVG, in dem geprüft werden sollte. ob das „Zustimmungsgesetz“ und das „Begleitgesetz“ mit dem Grundgesetz vereinbar sind.


Welche Regeln sah das beanstandete Begleitgesetz vor?
Das von Bundestag und Bundesrat verabschiedete - aber noch nicht in Kraft getretene - Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag erlaubte Bund und Ländern, EU-Initiativen zur Ausweitung des Mehrheitsprinzips bei Entscheidungen im Europäischen Rat abzulehnen. Eine ausdrückliche Zustimmung war aber demnach nicht erforderlich. Bisher müssen Bundestag und Bundesrat immer eigens "Ja" zu Vertragsänderungen sagen.

https://www.tagesschau.de/inland/faqlissabonurteil100.html