Sozistunde 12923 - Was wählt man denn bei der Europawahl?


Unterrichtsmitschrift von Dalil Ali (KE 13 vom 25.10.2019)



Das EU-Parlament wird alle fünf Jahre in allgemeinen, unmittelbaren, freien, geheimen, aber nicht gleichen Wahlen gewählt.

Das EU-Parlament hat bisher 751 Sitze, soll aber bei einem Brexit verkleinert werden. Von den 73 britischen Sitzen sollen nur 46 wegfallen, die anderen 27 Sitze werden Ländern zugeschlagen werden, die im Vergleich zu ihrer Bevölkerungsgröße besonders unterrepräsentiert sind.
Die Abgeordneten werden für jeden Mitgliedstaat getrennt gewählt.
Es gilt das Prinzip der „degressiven Proportionalität“: Größere Länder bekommen mehr Sitze als kleinere (Proportinalität), Aber: Kleinere Länder haben mehr Sitze pro Einwohner als größere (ansonsten wäre Malta kaum im Parlament vertreten!)
Die Wahlen sind nicht also nicht „gleich“: Die Prinzipien „one man, one vote“ bzw. „jede Stimme zählt gleich“ gelten nicht. Dies hat auch das BVG in seinem „Lissabon-Urteil“ kritisiert.
Die Wahl ist auch in anderen Punkten „ungleich“, einige Beispiele: 
- In Deutschland gibt es (bei Europawahlen) keine 5%-Hürde, in Frankreich schon!

- Wahlpflicht in Luxemburg („weiche“ Geldstrafe von 100 bis 250 Euro).
- aktives Wahlrecht in Österreich schon ab 16.

Die Abgeordneten sie sind nicht nach Staatsangehörigkeit organisiert, sondern gehören Fraktionen an – sondern schließen sich nach politischer Zugehörigkeit zusammen. Derzeit gibt es im Europäischen Parlament 7 Fraktionen.
Da das Europaparlament – anders als nationale Parlamente – keine Regierung im traditionellen Sinn wählt, ist die Gegenüberstellung von Regierungskoalition und Oppositionsfraktionen hier weniger stark ausgeprägt.
Konservativ-christdemokratischen EVP und der sozialdemokratischen S&D dominieren traditionell das Geschehen im Europaparlament. Bisher gab es stets eine Mehrheit von 50 bis 70 % für diese beiden Parteien.
Für die Verabschiedung eines Beschlusses in zweiter Lesung jeweils eine absolute Mehrheit der gewählten (nicht der anwesenden) Mitglieder des Europäischen Parlaments notwendig ist, konnten im Parlament faktisch nur EVP und S&D gemeinsam die notwendigen Mehrheiten organisieren.
Ein deutliches Kennzeichen der „informellen Großen Koalition“ ist auch ihre Vereinbarung, das fünfjährige Mandat des Parlamentspräsidenten aufzuteilen, sodass das Parlament jeweils für die Hälfte der Legislaturperiode von einem Sozialdemokraten und für die andere Hälfte von einem EVP-Mitglied geleitet wird.
Das Wahlergebnis 2019 stellte die beiden großen Parteienfamilien EVP (Konservative) und S&D (Sozialisten/Sozialdemokraten) dann vor ein Problem: Beide Lager verloren und kamen erstmals seit 40 Jahren nicht mehr auf eine gemeinsame Mehrheit.

Bei der Europawahl 2014 hatten die Parteien erstmals EU-Spitzenkandidaten aufgestellt. Einer von ihnen, der konservative Luxemburger Jean-Claude Juncker, wurde Kommissionschef.
Das war aber kein Selbstläufer. Es dauerte einige Tage, bis diese Personalie durch war. Gerade die Briten stellten sich lange quer. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zögerte.



Alpha-Demokratie: Das Europäische Parlament  | 01.05.2019
Online bis 30.04.2024
https://www.br.de/mediathek/video/alpha-demokratie-01052019-das-europaeische-parlament-av:5c926a3113b5f60013e468ad

Sendeminute 8,5:
Moderatorin Mirjam Kottmann:
Ja zwischen dem 23 und dem 26 Mai finden in der EU die Europawahlen statt. In Deutschland am 26. Mai. Es ist das neunte Mal dann, dass das Europäische Parlament direkt gewählt wird. Dazu jetzt knapp zusammengefasst wichtige Informationen - oder wissen Sie ganz genau was oder wen Sie da wählen am 26.?
Passant 1: Ne weiß ich nicht, tut mit leid. 
Passantin 2:  Ich denk für den Europarat oder für irgendwie.
Passant 3: Das Europäische Parlament. 
Passantin 4: Nein. 
Passantin 5: Darüber weiß ich gar nicht Bescheid, ehrlich gesagt. 

Sendeminute 9:
Sprecher: Was wählt man denn bei der Europawahl?



Stimmengewichtung in EU-Parlament 2014


Wahlrecht - Europawahl


Moderatorin Mirjam Kottmann: Ja jetzt haben wir eben gehört, in allen Länden darf man wählen, wenn man 18 Jahre ist - außer in Österreich, da reicht es, wenn man 16 Jahre ist. Aber es gibt ja auch in anderen Bereichen Unterschiede, beispielsweise beim passiven Wahlrecht.

 

Prof. Berthold Rittberger: Richtig, da gibt es Unterschiede mit Blick auf das Alter. Also in manchen Ländern wir Italien muss man 25 Jahre alt sein um gewählt werden zu dürfen, in der Regel sind es 18, in manschen Länden sind es 21 Jahre, da gibt es leichte Unterschiede, das ist richtig. 

 

Moderatorin Mirjam Kottmann:  Auch bei den Sperrklauseln gibt es unterschiedliche Regeln. Deutschland hat ja gar keine Sperrklausel mehr. 

 

Prof. Berthold Rittberger: Ja genau es gibt die formale Sperrklausel, die rechtlich festlegt, was die Eintrittshürde ist für das Europäische Parlament, in Deutschland war die mal bei 5 Prozent, dann war sie bei 3 Prozent und dann hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass sie abgeschafft werden muss, weil sonst die Gleichwertigkeit der einzelnen Wählerstimmen nicht gewährleistet wäre, was allerdings meiner Meinung nach eine fragwürdige Entscheidung war. 

 

Moderatorin Mirjam Kottmann: In einigen Ländern gibt es sogar ein Wahlpflicht für die Europawahl. 

 

Prof. Berthold Rittberger: Ja das ist richtig, ich glaube Luxemburg und Zypern kennen die Wahlpflicht, so dass jeder Bürger angehalten ist, zur Wahl zu gehen. Wenn er es nicht tut, dann sind die Sanktionen eher weich. Im schlimmsten Fall könnte man das Wahlrecht sogar entziehen, inwiefern das durchgesetzt wird, steht aber auf einem andern Blatt.


Alpha-Demokratie: Das Europäische Parlament  | 01.05.2019 - Online bis 30.04.2024; Europawahlen – unterschiedl. Regeln ab Sendeminute 10  
https://www.br.de/mediathek/video/alpha-demokratie-01052019-das-europaeische-parlament-av:5c926a3113b5f60013e468ad



Karikatur von Janson vom 28.05.2014: Europawahl mit Spitzenkandidat Juncker
https://janson-karikatur.de/wp-content/uploads/2014/05/Europawahl-14-05-28.jpg