Sozistunden 11163 - Bedingungsloses Grundeinkommen - a) großer Wurf oder b) Riesenbluff?


Sk 11150 - Soziale Ungleichheit und Armut

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Sk 11150a Mitschriften - Soziale Ungleichheit und Armut

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Michael Bohmeyer (* 1. Oktober 1984 in Rüdersdorf bei Berlin) ist ein deutscher Unternehmer.

Gemeinsam mit anderen gründete [...] Bohmeyer verschiedene Unternehmen: den Online-Schilderhandel Bohmeyer & Schuster GmbH,[1] das Social Network want2do AG,[2] das Technologie-Startup admineo UG.[3] 

Als seit 2014 passiver Mitinhaber des Online-Schilderhandels Bohmeyer & Schuster erhält Michael Bohmeyer eine jährliche Gewinnausschüttung. Dieses leistungslose Einkommen empfand er als „eine Art Bedingungsloses Grundeinkommen“. Inspiriert durch diese Erfahrung gründete er im Juli 2014 den Verein Mein Grundeinkommen. Per Crowdfunding sammelt die NGO Geld, um sie als einjährige Grundeinkommen von monatlich 1.000 Euro unter den auf der Website registrierten Menschen zu verlosen.[9] Bislang haben über 300 Menschen ein einjähriges Grundeinkommen gewonnen.[10]

Im Sommer 2014 gründete er den Verein "Mein Grundeinkommen" und beteiligte sich 2015 an der Gründung des Vereins Sanktionsfrei, welcher Empfängern von Arbeitslosengeld II rechtliche und finanzielle Hilfe anbietet.[4] 

2018 wurde der Dokumentarfilm Free Lunch Society - Komm Komm Grundeinkommen veröffentlicht, u. a. mit Michael Bohmeyer als Initiator und Gründer von Mein Grundeinkommen.[11][12]

Die Erfahrungen der Gewinner und die sozialpsychologische Wirkung von Bedingungslosigkeit untersucht Michael Bohmeyer zusammen mit Claudia Cornelsen in dem Buch „Was würdest du tun?“. Das Buch stieg direkt nach Erscheinen auf Platz 3 der Spiegel-Bestsellerliste.[13]

Quelle: Seite „Michael Bohmeyer“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 13. Mai 2019, 18:39 UTC.

URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Michael_Bohmeyer&oldid=188537393 (Abgerufen: 2. November 2019, 14:10 UTC)


RESPEKT

Bedingungsloses Grundeinkommen - großer Wurf oder Riesenbluff?

ARD-alpha 30.08.2019, 19:15 Uhr 29 Min

Online bis 01.04.2024

https://www.br.de/mediathek/video/respekt-bedingungsloses-grundeinkommen-grosser-wurf-oder-riesenbluff-av:5d6002801f300600135a377f

oder: https://youtu.be/BCCWgJKoc1o?t=1


Zum Einstieg:

RESPEKT- Bedingungsloses Grundeinkommen - großer Wurf oder Riesenbluff?

ARD-alpha 30.08.2019, 19:15 Uhr 29 Min

 

a) „Crowdfunding“-finanziertes Grundeinkommen gibt es schon! 

https://youtu.be/BCCWgJKoc1o?t=124

Bei Youtube unter: 

ab Sendeminute 2:04 

Fast 300 Menschen in Deutschland haben das schon bekommen. Das bedingungslose Grundeinkommen. 1000 Euro im Monat. Finanziert wird die ganze Sache von mittlerweile 100.000 Menschen per „Crowdfunding“, die es dem Menschen einfach mal ermöglichen wollen, das sie es mal ausprobieren, wie das geht mit dem Grundeinkommen. 

Hier sehen wir die Auslosung …. Eine Mischung aus Bingo und Glücksrad.  

… Gewinner 5 ist der Robin …Robin und Mutter Olga treffen wir jetzt gleich und dann werden die mal erzählen, wie es so war.


b) „Wie lebt es sich mit Grundeinkommen?“

ab Sendminute 7:33

https://youtu.be/BCCWgJKoc1o?t=453

Robin hat 2015 das bedingungslose Grundeinkommen gewonnen. Mutter Olga hat es verwaltet. Der Vater und die Schwester wollen nicht mit uns sprechen. Sie finden trotz des Gewinn  das Thema Grundeinkommen schwierig.

 

Olga: Ich habe uns angemeldet, mich und die Kinder, mein Mann wollte eigentlich gar nichts davon wissen und dann habe ich es vergessen. … Und irgendwann bekam ich eine Mail, morgens habe ich die aufgemacht. Und da bin ich erstmal gehüpft …

Reporter Rainer Maria Jilg:  Robin, hattest du gleich einen Plan, was du damit machen möchtest?

 

Robin: Erstmal sparen und dann Bücher kaufen. …. Jeden Monat ein Buch habe ich dann gekauft.

 

Olga: Wir haben uns in der Mittelschicht gesehen, wir haben alles, wir haben das gar nicht notwendig. Aber wenn man genauer hinschaut: Das Rad hat sich ganz schnell gedreht: Viel Arbeit, Kinder, Pflege von Eltern und … überhaupt keine Zeit für uns. Und das war sehr kritisch für unsere Familie, da haben wir uns entschieden, das Grundeinkommen … für Zeit miteinander zu nutzen. … Als erstes haben wir durch Grundeinkommen viele Gespräche miteinander geführt und dann haben wir beschlossen, dass wir die Zeit nutzen, um miteinander Zeit zu verbringen.

 

Michael Bohmeyer (Mein Grundeinkommen E. V.): Olga, Du warst ja diejenige, die das Geld verwaltet hat und es war Dir wichtig, das Du es verwaltest.

 

Olga: Ich habe, seit ich Kinder habe in Teilzeit gearbeitet. Und praktisch alles übernommen: Kindererziehung, Haushalt und Pflegen von Eltern. Also natürlich habe ich auch dementsprechend wenig verdient. Und diesen Ungleichstand zwischen mir und meinem Mann habe ich einfach gespürt. Für mich war das belastend, ich sehe, dass mein Mann, das anders sieht.

 

Sprecher: Olga … musste nicht nur privat kämpfen, sondern auch beruflich. In ihrem Krankenhaus nahm der Stress immer mehr zu. Sie konnte kaum mehr schlafen und wurde krank. Seelisch und körperlich. Ihre Hände entzündeten sich und sie wurde vom Krankenhaus entlassen. In dieser Agentur für Arbeit in Biberach sollte ihr weiter geholfen geworden. Doch es folgte eine traumatische Erfahrung.

Olga:  Vor acht stand ich vor der Türe, aber es war auch schon voll. Das bedeutet, dass ich bis zur ersten Anmeldung bis um elf Uhr gebraucht habe. Und dann kommt das zweite Wartezimmer und dann habe ich gemerkt: Hoppla, das reicht einfach nicht, weil: Ich muss meinen Sohn abholen. Und dann habe ich gefragt, wie lange das voraussichtlich gehen würde ….  [Die Mitarbeiterin stellte erhob dann den Vorwurf]: Ja wenn ich mal wieder arbeite, dann müsse ich mich ja auch organisieren.  Da ist mir echt der Kragen geplatzt und ich habe gesagt: Nichts anders tue ich seit meine Kinder da sind. Und arbeiten, und Eltern pflegen. … Die Antwort der Mitarbeiterin war: „So genau will ich es nicht wissen! …

 

Michael Bohmeyer (Mein Grundeinkommen E. V.): Würde man einmal annehmen, anstelle von Harzt IV würde es dieses bedingungslose Grundeinkommen geben. Wo wäre der Vorteil?  

 

Olga: Der Vorteil wäre eben, dass man in Ruhe überlegen kann: Was mache ich jetzt? Ich könnte auch mit diesem Geld meine Schulungen bezahlen. …und auf niemanden angewiesen sein. Zum Schluss bin ich finanziell derart ausgeblutet, dass ich gar nichts mehr konnte. Ich musste schauen, das wir irgendwie zurecht kommen, dass die Kinder das nicht spüren. Man möchte ja nicht, dass die Kinder merken, dass Mama und Papa knapp bei Kasse sind. 


Das Modell des steuerfinanzierten Grundeinkommens

https://youtu.be/BCCWgJKoc1o?t=803

Sendminute 13.25

Michael Bohmeyer (Mein Grundeinkommen E. V.): Wir haben zwar einen guten Sozialstaat, vielleicht einen der besten der Welt, aber das muss hat alles ins Muster passen: Heute sind unsere Lebensentwürfe so komplex, dass unsere Behörden gar nicht mehr damit nachkommen, die richtigen Schulungen zur Verfügung zu stellen, die es heute braucht. Auch wenn die sich natürlich allergrößte Mühe geben, es ist dennoch so, dass es Dich natürlich demütigt, dass Du erst bei einem Amt fragen musst, wo Du am besten weißt, was für Dein Leben gut ist.

 

Reporter Rainer Maria Jilg: Die Idee ist ja phantastisch, aber wie kann man das denn finanzieren?  

 

Michael Bohmeyer (Mein Grundeinkommen E. V.):  Ganz einfach: Alle kriegen das Grundeinkommen und alle bezahlen es. Es gibt nicht das Grundeinkommen, sondern es gibt bestimmt 30 verschiedene Modelle, die alle mit irgendeiner Art von Steuer arbeiten …. Das heißt, es gibt Grundeinkommen für alle, aber es muss über eine Steuer für alle finanziert werden.  [Anmerkung: Die meisten Rechenmodelle setzen bei der Einkommensteuer an].

Aber wichtig bei allen Modellen ist: Es geht nicht um zusätzliches Geld [für alle]!

Zwar bekommen am Monatsanfang alle diese 1.000 Euro überwiesen, aber die werden zu Jahresende mit der Steuer [angedacht wird in der Regel eine „Reichenssteuer wie Vermögensteuer, Erbschaftssteuer, Kapitalertragssteuer] verrechnet.

Das heißt jeder bekommt den gleichen Startbetrag, wenn ich aber deutlich mehr verdiene als diese Grundeinkommen, so dass ich netto unter dem Strich gar nicht mehr Geld habe. Die meisten werden sogar genau so viel Geld haben wie heute. Aber ich weiß: Ich kann nicht unter 1000 Euro in der Gesellschaft rutschen, und meine Kinder nicht und niemand in der Gesellschaft. Ich glaube, dass nimmt die Angst aus der Gesellschaft und macht uns alle besser.


Rechenmodelle zum Grundeinkommen

https://youtu.be/BCCWgJKoc1o?t=890

Sendeminute 14:54 

Reporter Rainer Maria Jilg: Also es gibt wahrscheinlich sehr verschiedene Ideen, das bedingungslose Grundeinkommen zu finanzieren und eines dieser Modelle haben wir mal durchgerechnet.  

 

Sprecherin: Kaum das Licht der Welt erblickt, gibt es schon 1000 Euro Grundeinkommen. Wäre das jetzt besser oder schlechter als bisher…? Ein Rechenmodell:  

Nehmen wir an, alle Einwohnerinnen der Bundesrepublik bekämen monatlich 1000 Euro.  

Dass macht 83 Milliarden (pro Monat) und im Jahr fast eine Billionen Euro, die der Staat ausbezahlen müsste.

Das ist dreimal soviel wie der gesamte [steuerfinanzierte] Bundeshaushalt, der 2014 gut 240 Milliarden Euro im Jahr betrug: Dieser Vergleich hinkt aber, denn der Staat zahlt zusätzlich [über das Sozialversicherungssystem] Rente und Arbeitslosenversicherung. Im Jahr 2017 ganze 965 Milliarden an Sozialleistungen.

All das soll im Modell in einer Basis-Sozialversicherung für alle aufgehen.

Zur Finanzierung müssten die Steuern drastisch erhöht werden. z.B. die Einkommenssteuer auf 50% bis 70% für alle.

Wieviel bleibt uns dann noch? Rechnen wie mal mit satten 70 % Einkommensteuer!

 

 

Rechnung 1:  Ludwig (13 Jahre) und Tina (7 Jahre) gehen zur Schule. Die beiden selbst bekommen zur Zeit [ohne bedingungsloses Grundeinkommen] kein Geld vom Staat.

 

Aber ihre Eltern: Die Eltern bekommen zur Zeit etwa 200 Kindergeld pro Nase.  

 

Angenommen die Eltern verdienen zusammen 6000 Euro [brutto] im Monat.

 

Mit Kindergeld bleiben ihnen derzeit netto – nach Steuern und Sozialversicherungen etwa 4.300 Euro netto. Im Grundeinkommensmodell mit 70 Prozent Steuern blieben netto nur 1.800 Euro im Monat, aber dazu kommen ja die 4 mal 1.000 Euro bedingungsloses Grundeinkommen pro Person, macht 5.800 Euro, also 1500 Euro mehr.   

 

Rechnung 2:  Jonas 19 Jahre alt. Joanas hat gerade als Bürokaufmann angefangen. Er verdient brutto 2.000 Euro im Monat.  Netto bleiben derzeit 1.400 Euro. Im Grundeinkommensmodell wären es zwar nur 600 Euro netto, aber plus 1.000 Euro Grundeinkommen. Dann hätte Jonas 1.600 Euro.  

 

Rechnung 3: Magda 26 Jahre alt.

Magda hat als Wirtschaftsinformatikerin einen Top-Job gelandet und bekommt 8.000 Euro brutto im Monat. Davon gehen der zeit etwa 3.500 Euro Steuern und Sozialversicherung weg.

Bleiben 4.500 Euro. Bei 70 % Abgaben wären es netto nur 2.400 Euro, mit Grundeinkommen 3.400 Euro. Magda hätte also 1.100 Euro weniger als jetzt.

Anders als unser Rechenmodell würde ein reales Grundeinkommen vermutlich nicht über die Einkommenssteuer finanziert, aber machbar wäre es. 



Sterben unattraktive Berufe aus?

Sendminute 18:30

https://youtu.be/BCCWgJKoc1o?t=1110

Reporter Rainer Maria Jilg: Michael, meinst Du, dass Berufe, die schlecht bezahlt sind und nicht die spannendsten  (so Berufe wie Klofrau oder Reinigungskraft) sterben solche Berufe aus? 

 

Michael Bohmeyer (Mein Grundeinkommen E. V.): Das habe ich auch gefragt, denn wir reden immer gerne über andere Jobs als wären es schlechte, weil wir unseren eigen Job gut finden, weil wir den ja gerne machen. Ich habe mit genau solchen Leuten gesprochen und denen ja auch Grundeinkommen gegeben, die so Putzjobs hatten. Die kamen auch nicht im entferntesten auf die Idee mit Grundeinkommen nicht mehr zu arbeiten. Wichtiger als Geld sind Anerkennung, ein Tagesrhythmus und Bestätigung.


Bedingungsloses Grundeinkommen (ab Sendminute 4:00) - kurz erklärt!

https://youtu.be/BCCWgJKoc1o?t=234

Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine Idee, nach der jeder Mensch jeden Monat Geld [vom Staat] bekommt, egal ob der bedürftig ist oder nicht – und ohne Gegenleistung. Egal ob Arbeiter, Millionär oder Kind. Auch wer arbeitet bekommt es, zusätzlich zum Lohn.

Das bedingungslose Grundeinkommen ersetzt dann auch mehrere andere Sozialleistung.

Aber warum ein bedingungsloses Grundeinkommen? Ein Hauptargument der Befürworter:

Es nimmt den Zwang, seine Existenz entweder durch Arbeit oder durch Sozialhilfe sichern zu müssen. Und das ermöglicht jedem Menschen ein würdevolles Leben. 

Der Leistungsdruck könnte zurückgehen und jeder könnte die Arbeit suche, die ihm Spaß macht und ihn motiviert. Weitere Vorteile: Wer finanzielle Sicherheit hat, versucht leichter sine Träume zu verwirklichen wird kreativer. Die Folge: Ganz neue und innovative Berufe können entstehen.

Ob ein bedingungsloses Grundeinkommen überhaupt finanzierbar wäre, darüber gehen die Meinungen und Studien auseinander. Jedenfalls müsste das Steuer- und Sozialsystem grundlegend verändert werden.

Wie, dazu gibt es unterschiedliche Modelle:

Aber, wenn keiner mehr arbeiten muss, was passiert dann mit den unattraktiven Arbeiten?

Keiner befürchten Kritiker. Oder das Arbeitgeber statt dessen illegale Arbeiter oder andere Menschen in Not einstellen würden. Nein, solche Jobs würden dann eben besser bezahlt oder automatisiert, argumentieren die Befürworter ein bedingungsloses Grundeinkommens. .

Die Kritiker glauben also, dass der Mensch grundsätzlich Druck benötigt. Die Befürworter sehen den Menschen, der sein Leben aktiv gestalten will.


Was sagt der Armutsforscher Christoph Butterwegge?

Ab Sendeminute 20:14

https://youtu.be/BCCWgJKoc1o?t=1214

Reporter Rainer Maria Jilg:  Was würden Sie den sagen, was ist denn Armut überhaupt?  

Christoph Butterwegge: Armut unterteilt man meist in absolute und relative Armut. Realtiv arm ist jemand, der kann seine Grundbedürfnisse befriedigen, aber er kann sich vieles … nicht leisten, was in einer so reichen Gesellschaft für fast alle als normal gilt. Er kann nicht teilhaben am sozialen, am kulturellen Leben.

Reporter Rainer Maria Jilg: Würde denn da nicht das Grundeinkommen helfen?

Christoph Butterwegge: Wenn jeder 1.000 Euro bedingungsloses Grundeinkommen bekommt, dann steigt natürlich die Armutsgrenze an und man ist mit 1.000 Euro, weil sie jeder hat, immer noch ein armes Schwein. Und das heißt, der Arbeitszwang, der bei uns besteht,  würde auch in dieser „BGE-Gesellschaft“ fortbestehen, wenn er auch indirekt wirkt. Man müsste, um sich von den anderen abzuheben und nicht ausgrenzt zu werden, mehr haben als die 1.000 Euro, dass heißt es würde sich an dieser Situation wenig ändern.

Derjenige, der jetzt Hartz IV bezieht und dann nur das bedingungslose Grundeinkommen hat, der würde natürlich immer noch am unteren Rand der Gesellschaft stehen und andere würden es ihn auch spüren lassen.

Reporter Rainer Maria Jilg:  Unser Sozialsystem, wie wir es jetzt haben, könnte das auch gerechter werden mit dem Grundeinkommen oder meinen Sie her das Gegenteil?

 

Christoph Butterwegge:  Gerechtigkeit schafft man nicht, indem man alle Menschen gleich behandelt. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es manche Städte, München ist sicher zuerst zu nennen, wo der Hartz IV-Bezieher im Durchschnitt mehr bekommt als die 1.000 Euro, weil das Jobcenter nicht nur die 420 Euro Regelbedarf an ihn zahlt. Sondern dazu noch Miete und Heizkosten übernimmt, was dann in München 1.100 Euro im Durchschnitt ergibt.        

 

Das heißt in München würde man sogar [mit einem bedingungslosen Grundeinkommen]  weniger haben, als (ein) Hartz IV-Bezieher heute. Für mich ist das heute der Wunsch, im Kapitalismus den Kommunismus zu verwirklichen.


Und was sagen die Gewerkschaften?

https://youtu.be/BCCWgJKoc1o?t=1359

ab Sendminute 22.33

Reporter Rainer Maria Jilg:

Gerade Gewerkschaften müssten doch eigentlich jubeln, wenn das Grundeinkommen gewissermaßen schon einen Mindestlohn garantieren würde. Ausbeutung durch den Arbeitgeber wäre dann wohl Vergangenheit, wenn man durch das Grundeinkommen nicht mehr jeden Job machen müsste. …

Luise Klemens (Diensteistungsgewerkschaft Vedri, Landesbezirk Bayern): 

Ich betrachte das bedingungslose Grundeinkommen wie so einen  „Wolf im Schafspelz“, bin also eher dagegen. …

Reporter Rainer Maria Jilg: Es schaut nach außen also gut aus, ist aber nach innen nicht gut!    

… Habe ich denn [mit dem BGE] nicht mit dem Arbeitgeber eine bessere Verhandlungsbasis, muss der nicht ein wenig mehr liefern als jetzt?  

 

Luise Klemens (Dienstleistungsgewerkschaft Landesbezirk Bayern): 

Die Frage ist ja immer: Wohin führt das? Wenn man jetzt sagen würde: „Jeder bekommt jetzt 1.000 Euro“ und dann schauen wir uns die verschiedenen Modelle an. Dann wird es Arbeitgeber geben, die sagen: Dann brauchen wir ja nicht so viel Gehalt zu bezahlen, weil die Menschen haben ja schon 1.000 Euro. Oder es entsteht so etwas wie ein zweiter Arbeitsmarkt, dass man sagt: Da kann man jetzt alles ehrenamtlich machen, weil man ja schon 1.000 Euro hat und das erscheint dann irgendwie nicht richtig. Wir betrachten es mal so:        

Es ist eine neoliberale Idee, also zu sagen: Jetzt kriegen wir alle dasselbe, und um mehr muss sich die Gesellschaft, müssen sich die Unternehmen nicht mehr kümmern, also [um Fragen wie]: „Wie sind die Arbeitsbedingungen? Was ist mit Langzeitarbeitslosen?  Was machen wir mit Menschen, die gesundheitlich eingeschränkt sind? Der Blick darauf würde mit Sicherheit abnehmen!


Drei Abschlussfragen zum bedingungslosen Grundeinkommen

https://youtu.be/BCCWgJKoc1o?t=1457

ab Sendeminute 24: 17

Gewerkschaften sagen also, Arbeitgeber würden durch das Grundeinkommen weniger zahlen. Der Armutsforscher sieht den Kommunismus wiederkehren und Michael Bohmeyer glaubt an den besseren Mensch durch 1.000 Euro monatlich!    

Reporter Rainer Maria Jilg: [Frage 1:] Was passiert, wenn die Menschen anstelle von Arbeitslosengeld, Kindergeld, Hart IV usw. nur noch 1.000 Grundeinkommen bekommen würden?   

Michael Bohmeyer (Mein Grundeinkommen E. V.): Das will ich auch herausfinden, aber ich  habe die Ahnung, dass sie ruhiger werden, dass sie gesünder werden,  das sie mutiger werden und sozialer.

Armutsforscher Christoph Butterwegge: Es wird nicht mehr soziale Gerechtigkeit geschaffen, denn wenn alle 1.000 Euro im Monat bekommen, ändert sich nichts an den Verteilungsverhältnissen.   

Luise Klemens (Dienstleistungsgewerkschaft Landesbezirk Bayern):  

Dann wird es nicht gerechter, die einen können sich freuen, das sie 1.000 Euro zusätzlich haben, aber die, die einen höheren Bedarf an Unterstützung haben, denen würde es schlechter gehen.   

Reporter Rainer Maria Jilg: [Frage 3:] Würde das bedingungslose Grundeinkommen die soziale Kluft verringern?    

Michael Bohmeyer (Mein Grundeinkommen E. V.):  Ich glaube ja, weil wir alle ein wenig gleicher werden. … Es löst nicht alle Probleme der Vermögensunterschiede, aber ein Anfang und eine Plattform, von der aus man andere politische Kämpfe führen kann.     

Armutsforscher Christoph Butterwegge: Nein. Das Grundeinkommen ändert nichts an den Verteilungsverhältnissen. Diejenigen, die vermögend sind, bleiben es, diejenigen die nichts haben, haben dann auch sehr wenig, weil 1.000 Euro in einer Gesllschaft des bedingungslosen Grundeinkommens ja das absolute Minimum darstellt.      

 

Luise Klemens (Dienstleistungsgewerkschaft Landesbezirk Bayern):  

Auf keinen Fall, weil es ja nicht zu einer wirklichen Umverteilung von Vermögen kommen würde; es würde die Lohnquote nicht wesentlich beeinträchtigen.     

 

Reporter Rainer Maria Jilg: [Frage 3:] Wird es das bedingungslose Grundeinkommen irgendwann einmal, in Deutschland geben?   

Michael Bohmeyer (Mein Grundeinkommen E. V.):  Ich glaube es wird eine Form von bedingungslosen Grundeinkommen geben müssen, weil es die einzige Form ist, Gesellschaft in der digitalen Zeit zu organisieren. Ich hoffe nur, dass wir jetzt in guten Zeiten darüber nachdenken und kein schlechtes Grundeinkommen einführen. Wenn wir in der Krise sind, können wir nur schlechte Entscheidungen treffen.    

Armutsforscher Christoph Butterwegge: Ich bezweifele es sehr und wenn es das jemals geben würde, würde es das auf einem so niedrigen Niveau geben, dass man davon kaum leben könnte. Also man müsste weiter erwerbstätig sein, um in der Gesellschaft mitzuhalten, um anerkannt zu werden und nicht sozial ausgegrenzt zu werden.



Reporter Rainer Maria Jilg:  Die theoretische Diskussion ist das eine, für mich ist das Wichtigste, was das Grundeinkommen praktisch bewirkt hat. Olga, was würdest Du sagen?  

Olga: In erster Linie hat sich unser Familienleben verändert, aber ich würde es sagen: Es hat vor allem mich verändert. Ich bin einfach selbstbewusster geworden, auch in politischen Themen, ich äußere mich offener, mutiger vielleicht … Also durch Offenheit glücklich. Ich glaube das hat mit gefehlt.


Kenia: Grundeinkommen, bedingungslos | ARTE Reportage
https://youtu.be/8eko4CtUetw?t=658
Erprobung des bedingungslosen Grundeinkommens durch die NGO „Give directly“