Sozistunde 7009 - Demokratische Wahlrechtsgrundsätze




Demokratische Wahlrechtsgrundsätze - sehenswertes Video! 

https://youtu.be/YM5cNFRp7qU

10021 Demokratische Wahlgundsätze - Unterrichtsmaterial

Sk 10021 Demokratische Wahlrechtsgundsätze - Unterrichtsmaterial

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Sk 10021 Demokratische Wahlrechtsgrundsätze -Text zu Erklärvideo
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poliWHAT?! Wahlen
Demokratische Wahlrechtsgrundsätze
https://youtu.be/pizlxDGEp5A?t=104













































 Demokratische Wahlrechtsgrundsätze - Text zum Erklärvideo

 

In der heutigen Unterrichtsstunde soll es um die demokratischen Wahlrechtsgrundsätze gehen.

 

In Artikel 38 des Grundgesetzes heißt es: Die Abgeordneten des Bundestags werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.
Diese 5 Grundsätze (allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim) machen also eine demokratische Wahl aus. Man sollte sie sich gut merken!

 

Der erste, wichtige Grundsatz ist der der Allgemeinheit der Wahl. – Was bedeutet dieser Grundsatz?

 

Blicken wir mehr als 100 Jahre zurück: In einem Plakat der SPD wurde damals zu einer öffentlichen politischen Versammlung aufgerufen, die am Sonntag, den 19.März 1908 in Berlin stattfinden soll.
„Her mit dem Frauenwahlrecht!“ ist hier zu lesen  und das ist die Forderung, die in einer Freien Diskussion erörtert werden soll.
Es dauerte dann noch mehr als 10 Jahre, bis dann (am 19. Januar 1919) die Frauen zum ersten Mal in Deutschland wählen durften: Bei den Wahlen zur verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung der Weimarer Republik.Sie hatten sowohl das aktive Wahlrecht, also das Recht  zu wählen, als auch das passive Wahlrecht, also das Recht gewählt zu werden.

 

Ein weiteres historisches Beispiel dafür, dass gewisse Bevölkerungsteile an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert wurden, liefert ein berühmtes Foto.
Es zeigt den „Marsch auf Washington“ vom 28. März 1963. Martin Luther King hielt auf dieser Veranstaltung seine berühmt gewordene Rede „I have a dream“ - und die Vertreter der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung forderten das Ende der Rassendiskriminierung in den Vereinigten Staaten. Auf einem Plakat in der Mitte des Fotos ist die Aufschrift „Voting rights now“ (Wahlrecht jetzt!) zu lesen. Zum Hintergrund dieser Forderung ist zu sagen, dass es noch bis 1965 in den amerikanischen Südstaaten Schreibtests bzw. „Analphabetismus-Tests“ und andere formale Hürden gab, mit denen Afroamerikaner - die häufig schlechter gebildet waren - am Einschreiben in die Wählerlisten gehindert wurden.

 

 

 

Der Versuch, Wähler aufgrund ihrer Abstammung Rassenzugehörigkeit oder ihres Geschlechts von den Wahlen auszuschließen, widerspricht dem Grundsatz der „Allgemeinheit der Wahl.“
„Allgemeinheit“ der Wahl bedeutet dabei, dass grundsätzlich alle Bürgerinnen  und Bürger, die das Wahlalter erreicht haben (in Deutschland ist diese i. d. R. das 18. Lebensjahr), das aktive und passive Wahlrecht besitzen - unabhängig von Geschlecht, Abstammung, Bildung, Einkommen oder Religion. Diesen ersten Grundsatz sollte man sich merken!

 

Das Wahlen früher nicht immer ganz demokratisch abliefen, darauf gibt auch ein Wahlaufruf aus dem Jahre 1881 einen Hinweis:
„Mitbürger! Wähler der 3. Classe!“ hieß es im Kölner Stadt-Anzeiger. Es waren die Zeiten des Preußischen Dreiklassenwahlrechts, das in den Jahren 1849 bis 1918 die Wahlen zur Preußischen Abgeordnetenhauses bestimmte. Dieses Abgeordnetenhaus lässt sich wohl am besten mit einem heutigen Länderparlament – wie dem Landtag in Mainz – vergleichen.

 

„Wähler der dritten Klasse“ und „Dreiklassenwahlrecht“ - was bedeuten diese Begriffe?

 

Die Bezeichnung „Dreiklassenwahlrecht“ kommt daher, dass ein Wähler – je nachdem wie viel Steuern er im Jahr zahlen musste, in eine der drei „Abteilungen“ oder „Klassen“ eingeteilt wurden.

 

Diese Einteilung soll an einem stark vereinfachten Beispiel erklärt werden:

 

Es wurden dabei zunächst so viele Wahlberechtigte eines Wahlbezirks in die erste Abteilung eingeteilt, bis ein Drittel des gesamten Steuereinahmen erreicht war.
In unserem Beispiel zahlten Norbert Neureich und Guido Gold zusammen 1.500 Goldmark Steuern im Jahr - Norbert zahlte dabei 800 und Guido 700 Goldmark jährlich.

 

 

 

 

 

Diese 1.500 Goldmark waren damit ein Drittel der Gesamteinnahmen an Steuern – wir nehmen also an, dass diese Einnahmen insgesamt 4.500 Goldmark betrugen.         

 

In die 2. Klasse wurden nun die Wahlberechtigten aufgenommen, die unter den dann verbleibenden Wählern die meisten Steuern zahlten, bis wieder ein Drittel der gesamten Steuereinnahmen erreicht war. In unserem Beispiel zahlten die drei Wähler der zweiten Klasse –nennen wir sie Markus Mittel, Max Maß und Michael Median - 600, 500 und 400 Goldmark an jährlichen Steuern. Zusammen trugen diese drei Wähler der zweiten Klasse auch wieder 1.500 Goldmark, also ein Drittel der Steuerlast.

 

Die ärmsten Wahlberechtigten bildeten dann die 3. Klasse. Man kann sich hier z.B. fünf Wahlberechtigte denken, die jeweils 300 Goldmark Steuern in Jahr zahlten – das macht zusammen wieder 1.500 Goldmark und damit wieder ein Drittel der gesamten Steuerlast.
Die Wahlberechtigten, die die meisten Steuern zahlten, bildeten die 1. Abteilung bzw. die 1. Klasse. Es fanden sich hier die wenigen „reichen“ Wahlberechtigten wieder, denn: Je mehr Vermögen bzw. Einkommen man besaß, desto mehr Steuern musste man bezahlen.

 

Eine historische Karikatur zum „Dreiklassenwahlrecht“ kritisiert diese Einteilung der Wähler in drei Klassen. Warum diese Kritik?

 

Es war – wie in der Karikatur links zu erkennen - ein „ganz dicker Geldsack“ nötig, um Eintritt in das Wahlzimmer der ersten Wählerkasse zu erhalten! - „Geldsackwahl“ nannten kritische Stimmen das preußische Dreiklassenwahlrecht.
In das mittlere Wahlzimmer der 2. Klasse erhielt nur derjenigen Einlass, der über einen „halb dicken Geldsack“ verfügte.

 

In der dritten Klasse sammelten sich die vielen besitzlosen und einkommensschwachen Wähler - das waren diejenigen mit dem „ dünnen Geldsack“. Die Ungerechtigkeit dieses Systems wird einem erst dann klar, wenn man die dahinter steckenden Zahlen genauer betrachtet:

 

 

 

Schauen wir uns einen typischen preußischen Wahlbezirk einmal genauer an: Ein Wahlbezirk, in dem ein Abgeordneter zu wählen war, bestand durchschnittlich aus ca. 12.000 Wahlberechtigten.

 

Auch damals war es so wie heute: Nur wenige Reiche besaßen viel Vermögen und so fanden sich in der1. Wählerklasse durchschnittlich nur 4% der Wähler - also 480 Wahlberechtigte. 
Die zweite Wählerklasse bestand aus einer dünnen Mittelschicht: 1.920 Wahlberechtigte, das sind 16% der Wähler.

 

Die überwiegende Mehrheit wurde in die 3. Wählerklasse eingruppiert: Das waren 80 Prozent der Wähler bzw. 9.600 Wahlberechtigte.

 

Die Wahlberechtigten wählten zunächst in einem ersten Wahlgang – der so genannten Urwahl.

 

Jede Klasse durfte in diesem ersten Wahlgang 16 Wahlmänner wählen.
Die Wähler wählten dabei einen Wahlmann ihres Vertrauens. So war es so, dass z.B. Arbeiter, die sich der SPD hingezogen fühlten, einen Wahlmann wählten, der der SPD angehörte.       

 

Erst dann folgte der entscheidende, zweite Wahlgang: Die insgesamt 48 Wahlmänner wählten den einen Kandidaten, der für den Wahlbezirk in die Preußische Abgeordnetenhaus einzog.

 

Die Ungerechtigkeit dieses Systems liegt auf der Hand: Jede der drei Wählerklassen konnte nur die die gleiche Anzahl an Wahlmännern wählen – obwohl die drei Klassen unterschiedlich viele Wahlberechtigte besaßen. Die 9.600 armen Wähler der dritten Klasse durften 16 Wahlmänner wählen – sie waren damit genau so „mächtig“ wie die 480 reichen Wähler der ersten Klasse.
 Betreiben wir ein wenig „wissenschaftliche Statistik“:
Dies bedeutet: Die Stimme eines Wählers der 1. Klasse zählte (9.600:489=) 20-mal so viel wie die Stimme eines Wählers der dritten Klasse! 

 

 

 

Die Folgen dieses „Dreiklassenwahlrechts“ waren weitreichend – 3 Beispiele hierzu:     

 

1. Der Großindustrielle Alfred Krupp durfte in Essen ein Drittel der Wahlmänner für die Stadtverordnetenversammlung selbst festlegen, weil er als einziger der ersten Klasse angehörte

 

2. Die Arbeiterpartei SPD erhielt bei den Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus 1913 mit 28,4 % der Urwählerstimmen nur 10 Sitze (das waren nur 2,3 % der Sitze)
3. Die Freikonservativen (das war die Partei des Adels und der Minister) erreichten mit nur 2 % der Urwählerstimmen 53 Sitze (das waren immerhin 11% der Sitze)

 

Ein solches Ungleichgewicht ist bei demokratischen Wahlen nicht denkbar.

 

Hier gilt der Grundsatz der Gleichheit der Wahl. „Gleich“ bedeutet dabei, dass jede Stimme das gleiche Gewicht besitzt. - egal ob jemand z.B. arm oder reich ist.

 

Zudem wird bei demokratischen Wahlen in der Regel ohne Wahlmänner gewählt, die Wahlen sind, unmittelbar, d. h. die Wähler wählen die Abgeordneten  direkt, ohne Zwischenschaltung von „Wahlmännern.“

 

In wenigen Ausnahmefällen wird in Demokratien gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahlen verstoßen: So wird der Bundespräsident – ebenso wie der Präsident der Vereinigten Staaten - mit Hilfe von Wahlmännern gewählt.

 

In noch einem weiteren Punkt war das alte Dreiklassenwahlrecht undemokratisch. Die Stimmabgabe erfolgte nämlich öffentlich. Dabei wurden im ersten Wahlgang die Wahlberechtigten nacheinander aufgerufen. Die Wähler der ersten Abteilung mussten zuerst wählen, dann folgten die Wähler der zweiten und schließlich die der dritten Abteilung. 

 

Zwar konnten die Wähler ihre Stimme an einem Tisch zu schriftlich zu Protokoll geben, aber: In der Praxis gingen die Wähler gar nicht erst zu diesem Tisch.
Sie machten von der im Wahlrecht vorgesehen Möglichkeit Gebrauch, die Stimme für den Wahlmann ihres Vertrauens von ihrem Platz aus abzugeben  – laut und für jedermann hörbar.

 

Viele Landarbeiter wählten also vor den Augen und Ohren ihrer Gutsherren, viele Fabrikarbeiter in Anwesenheit der Fabrikbesitzer. Wer dabei nicht mündlich wählte, der machte sich – in den Augen der Mächtigen -  verdächtig.

 

 

 

Auch im zweiten Wahlgang geschah die Stimmabgabe nicht völlig unbeobachtet: Die Wahlmänner mussten zu Protokoll geben, welchen Abgeordneten sie ihre Stimme gaben. Es war also später immer feststellbar, wie der einzelne Wahlmann gewählt hatte.

 

Demokratische Wahlen hingegen laufen nicht öffentlich ab. Hier muss der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet und unbeeinflusst in einer Wahlkabine selbst ausfüllen und gefaltet in die Wahlurne werfen muss. Der Wahlleiter im Wahllokal hat sicherzustellen, dass alle Wähler die Wahlkabine verwenden.Auch bei einer Briefwahl kann der Wähler seine Stimme unbeobachtet und unbeeinflusst abgeben.
Demokratische Wahlen sind geheim, man sollte sich merken: 
Geheim sind die Wahlen dann, wenn der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet und unbeeinflusst abgegeben kann.

 

Es darf nicht feststellbar sein, wie der einzelne Bürger gewählt hat.

 


Ein weiteres Beispiel für eine unfreie Wahl:
Am 10. April 1938 konnten die Wähler des Großdeutschen Reiches über die bereits vollzogenen Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich abstimmen.

 

Was auffällt: Der Kreis für die Ja-Stimme war dabei viel größer als der für die Nein Stimme - ein Versuch der Machthaber, die Wahl in Richtung des gewünschten Ergebnisses zu manipulieren.
Bei der Abstimmung selbst machten viele Wähler öffentlich vor den Wahlhelfern ihr Kreuz bei Ja und nicht in der Wahlkabine , um den Verdacht zu vermeiden, gegen den „Anschluss“ gestimmt zu haben. In dieser keinesfalls nach freien und demokratischen Grundsätzen vollzogenen Abstimmung votierten offiziell mehr als 99 Prozent der Österreicher und 99 Prozent der Deutschen für den "Anschluss".

 

Um den Grundsatz der Freiheit der Wahl zu verstehen schauen wir uns an, was es bedeutet, wenn die Wahlen unfrei ablaufen und werfen einen Blick zurück in die Zeit des Nationalsozialismus: Die nationalsozialistischen Machthaber hatten mit dem Gesetz gegen die Neubildung von Parteien im Juli 1933 alle übrigen Parteien außer der NSDAP verboten.