Sozistunde 12967 - Die aktuelle Diskussion um transnationale Listen


Unterrichtsmitschrift von Björ Oldach

Sk 12901a Die EU - Von der Gründung über Maastricht zu Lissabon
PDF: https://drive.google.com/open?id=1lj_KqLc2BHaKN1qVZLCLU7qpsC0ucRxN 

Sk 12001a Mitschriften - Die EU - Von der Gründung über Maastricht zu Lissabon

PDF: https://drive.google.com/open?id=15bbj3_mJBetLghbxgfzee-P1TaSOF7UZ

 

Sk 12902  Die EU - Organe und Gesetzgebung
PDF: https://drive.google.com/open?id=1koml3H9cZsZqr51Z-sEVTBKFhXxyEIz-

Sk 12902  Mitschriften - Die EU - Organe und Gesetzgebung
PDF: https://drive.google.com/open?id=1oMgFeaLtE6Tju1_pcOrZLKa4ao4oOdgk


105. Videopodcast zum Thema "Transnationale Listen"

von Jens Geier (SPD), Mitglied des Europäischen Parlaments

https://www.youtube.com/watch?v=YQ5XYxc7KR8&t=1s



Durch den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, der im März 2019 in Kraft treten soll, werden 73 Sitze frei. Dadurch ist es möglich, die Anzahl der Sitze pro Mitgliedstaat neu zu berechnen und gleichzeitig transnationale Listen zu erstellen, ohne dass ein Staat Sitze verliert. 

Wie würden diese Listen in der Praxis funktionieren?

Am Wahltag hätten alle Bürgerinnen und Bürger zwei Stimmen: eine Stimme für die Partei, sie auf nationaler Ebene bevorzugen, und eine Stimme für eine europäische Liste.

https://www.greens-efa.eu/de/artikel/news/transnational-lists-for-the-european-elections/

Durch den britischen EU-Austritt bietet sich … ein Gelegenheitsfenster, transnationale Listen einfacher zu erreichen.

Mit transnationalen Listen würden diese nationalen Teilwahlen um einen gesamteuropäischen Wahlkreis ergänzt. Jeder Bürger hätte bei der Europawahl dann zwei Stimmen: Die erste ginge wie bisher an die Liste einer nationalen Partei für die Besetzung des nationalen Sitzkontingents. Mit der zweiten Stimme aber würden die Bürger eine der europaweiten Listen wählen, die von den europäischen Parteien aufgestellt würden.
Auf dem zweiten Wahlzettel stünden also nicht die Namen der nationalen, sondern der europäischen Parteien: die christdemokratische EVP, die sozialdemokratische SPE, die liberale ALDE usw. Die transnationalen Listen wären in jedem europäischen Mitgliedstaat identisch.


Auch wenn es eine Europawahl ist: Für Kandidaten oder Parteien eines anderen Landes kann man ebenfalls nicht stimmen. In Deutschland ist es etwa nicht möglich, die En-Marche-Bewegung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu wählen.
Macron hatte für sogenannte transnationale Listen geworben. Sein Vorschlag scheiterte aber vor etwa einem Jahr ausgerechnet am EU-Parlament, das sich dagegen aussprach.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/europawahl-europaeisches-parlament-eu-ueberblick-spitzenkandidaten-termine


Eine Reaktion auf den Brexit
Europaweite Kandidatenlisten für die Europawahlen. Abgeordnete im Straßburger Parlament von Sozialdemokraten, Grünen und Linken hatten sich für eine solche Wahlrechtsreform stark gemacht, den Verfassungsausschuss wussten sie hinter sich und nicht zuletzt diesen Mann, der schon die französische Parteienlandschaft aufgewühlt hatte, Emmanuel Macron.

In seiner inzwischen berühmt gewordenen Rede vor der Sorbonne hatte der französische Staatspräsident im September 2017 gesagt: „Die Briten haben entschieden, uns zu verlassen. Sie machen 73 Posten von Europaabgeordneten frei.“
Die Wahl, die jetzt zu treffen sei, sei einfach, betonte Macron. Weitermachen, als wäre nichts gewesen. Oder aber entscheiden, dass die Nachfolger genau dieser Abgeordneten die Antwort der Europäer auf den Brexit sein müssen. Kandidaten einer transnationalen Wahlliste, d.h. in jedem EU-Land würde über dieselben Personen abgestimmt werden. „Chiche!“, feuerte Macron die Zuhörer an, „Trauen wir uns!“.

Macron erhielt Beifall für seinen Vorstoß von vielen Seiten, aber eben auch Gegenwind. Nicht zuletzt von den Konservativen im Europaparlament, französischen, aber auch deutschen, also von den Parteifreunden Angela Merkels.

https://www.deutschlandfunk.de/transnationale-listen-wenn-die-kanzlerin-orakelt.795.de.html?dram:article_id=419578


Befürworter einer postnationalen Europäischen Republik wie die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, fordern, die nationale Kontingentierung der Mandate aufzugeben und das Europäische Parlament nur noch transnational auf der Grundlage des Prinzips "Eine Person, eine Stimme" zu wählen.


„Ein Sündenfall gegen den Föderalismus“
„Transnationale Listen sind ein Sündenfall gegen den Föderalismus“, sagte Elmar Brok, Abgeordneter für die CDU im Europaparlament. Macron wolle das EP schwächen, unterstrich er in der Debatte des 7. Februar, bevor eine Mehrheit die transnationalen Listen ablehnte.
„Ich möchte nicht auf einer Liste von Helsinki bis Lissabon gewählt werden, wo kein Bürger mich als sein Ansprechpartner sieht. Ich möchte als Abgeordneter zuhause in Ostwestfalen-Lippe gewählt werden, Legitimation entsteht durch Bürgernähe und nicht durch Ferne.“ Im Übrigen glaube er, so Brok damals, dass der französische Staatspräsident mit seinem Vorstoß nur davon ablenken wolle, dass er wiederum gegen das Instrument von Spitzenkandidaten sei, mit dessen Hilfe zuletzt der Kommissionspräsident bestimmt wurde.
https://www.deutschlandfunk.de/transnationale-listen-wenn-die-kanzlerin-orakelt.795.de.html?dram:article_id=419578

Die Kritik des Europabgeordneten Elmar Brok an transnationalen Listen 

treffpunkteuropa.de: Am vergangenen Mittwoch haben Sie bei der Abstimmung im Europaparlament gegen die Einführung transnationaler Listen bei der Europawahl im Jahr 2019 gestimmt. Würden Sie angesichts der Kritik, die sie dafür vor allem von proeuropäischen Vereinen erhalten haben, wieder so entscheiden?
Elmar Brok: Ja. Ich war stets aus tiefster Überzeugung gegen transnationale Listen und habe dies auch immer gesagt. Mir ist keine föderale nationale Verfassung bekannt, die auf nationaler Ebene Listen vorsieht. Und das aus gutem Grund: Transnationale Listen sind ein Sündenfall gegen den Föderalismus. Demokratische Legitimation entsteht vor allem durch Bürgernähe. Ich möchte zu Hause in Ostwestfalen-Lippe gewählt werden, und nicht auf irgendeiner Liste zwischen Helsinki und Lissabon, wo mich kein Bürger als sein Ansprechpartner sieht. Ich bin der Auffassung, dass die Bürger in ihren Wahlkreisen, in ihren Regionen wählen müssen und dass uns dies im Europäischen Parlament zusammenführt, in den Fraktionen, um gemeinsame europäische Interessen wahrzunehmen. Ich habe immer, auch in Konflikt mit meiner Partei, für Europa gekämpft – für meine Überzeugung.
https://www.treffpunkteuropa.de/transnationale-listen-sind-ein-sundenfall-gegen-den-foderalismus


Zukunft der EU - Macrons Kampfansage an Brüssel • DLF Hintergrund • Podcast •

https://youtu.be/hMJdlDYGfAA?t=954

In den sozialen Medien wurde … die Ablehnung transnationaler Listen durch das EU-Parlament kritisiert. Aber Ideen für eigene Initiativen in dieser Richtung gibt es bisher nicht.

 

[…] Schaut man sich unter den Parteien im Deutschen Bundestag um, dann werben an vorderster Front die Grünen für die Idee transnationaler Listen und haben dazu auch einen Initiativantrag in den Bundestag einbracht.

 

Für den europapolitischen Sprecher der CDU, Michael Stübgen, ist die Forderung nach      

 

transnationalen Listen ein alter Hut, der jetzt nur wegen Macron und den 73 frei werdenden britischen Sitzen im EU-Parlament wieder herausgeholt wird.

 

Michael Stübgen: Ich sage Ihnen, ich habe persönlich nie etwas davon gehalten, so ne Art doppeltes Europarecht mit europäischen Superabgeordenten und den einfachen, die in den Nationalstaaten gewählt werden. Das Europäische Parlament selber konnte sich auf diese Konstellation nicht einigen. Der Europäische Rat steht deutlich dagegen – außer Frankreich. Der französische Präsident hat persönliche Interessen, die er damit verbindet. Ich glaube nicht, dass es dadurch besser wird.

 

Und über die Spitzendkandidaten werde in den jeweiligen Parteifamilien entscheiden. Daran halte man fest, auch wenn der Lissabonner Vertrag da nicht eindeutig ist. Aber auch von einem Macron lasse man sich da nicht aus der Ruhe bringen.  

Michael Stübgen: […] Macron ist gegen Spitzenkandiaten, weil seine Bewegung „en marche“ noch keiner europäischen Parteifamilie Bewegung beigetreten ist und er Angst hat, dass er hinten runter fällt. [Anmerkung: Die Bewegung „La République en Marche!“ hat sich inzwischen der Fraktion der Liberalen Renew Europe („Europa erneuern“) angeschlossen.

  [Die CDU und Kanzlerin Merkel die Forderung lehnt die Forderung nach transnationalen Listen ab.]