Sozistunden 12939 - Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren in der EU


Unterrichtsmitschrift vom 13.12.2019



So entstehen Gesetze in der Europäischen Union

https://www.youtube.com/watch?v=P9kQrlx8n-M

 

Es gib drei Organe, die an der europäische Gesetzgebung beteiligt sind: Nämlich die Europäische Kommission, der Rat der EU (Ministerrat) und das EU-Parlament,

Nur die Kommission kann Gesetze vorlegen. … Es gibt derzeit zwei Arten von EU-Gesetzen, das sind einmal Richtlinie und zum anderen Verordnungen. Richtlinien müssen von den nationalen Parlamenten innerhalb einer bestimmten Frist in nationales Recht umgesetzt werden. Die Verordnungen hingegen sofort und unmittelbar in allen Mitgliedstaaten. In der EU gibt es verschiedene Wege, wie ein Gesetz verabschiedet werden kann.  Das wichtigste davon ist das ordentliche Gesetzgebungsverfahren [welches in supranationalen Politikbereichen gilt]. Und das funktioniert so:

 

Die Europäische Kommission [die das alleinige Initiativrecht besitzt], arbeitet einen Gesetzesentwurf aus. Dieser Gesetzesentwurf geht dann ins Europäische Parlament.

Das Parlament [debattiert den Entwurf in erster Lesung] und gibt dann eine Stellungnahme ab, ob sie den Gesetzesentwurf gut findet, oder ob sie ihn gerne ändern möchte.

Dann  geht das Gesetz samt der Stellungnahme an der Rat der Europäischen Union.

Der Rat kann (nach erster Lesung im Rat) das Gesetz mit den eventuellen Änderungsvorschlägen des EU-Parlaments annehmen. [Die Annahme eines Gesetzes im Rat der EU muss – im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mit „doppelter Mehrheit“ erfolgen.] Dann ist ein neues Gesetz entstanden. Oder er kann begründen, warum er mit dem Gesetz oder den Änderungen nicht zufrieden ist [und eigene Änderungen vorschlagen].

 

Dann geht das Gesetz wieder ins Parlament, wo die Abgeordneten [nach einer zweiten Lesung] darüber abstimmen können, ob sie mit den Änderungen des Rats zufrieden sind oder nicht.

 

Wenn sie mit „Ja“ abstimmen, ist ein neues Gesetz entstanden, wenn sie mit „Nein“ abstimmen, ist das Gesetz gescheitert.

Die Abgeordneten können das Gesetz auch wieder ändern und dann geht der Gesetzesentwurf wieder zurück in den Rat, samt der Stellungnahme des Parlaments. Akzeptiert der Rat (nach einer zweiten Lesung) die erneuten Änderungen des Parlaments, ist ein neues Gesetz entstanden. Wenn er mit den Änderungen des Parlaments nicht einverstanden ist, dann wird ein Vermittlungsauschuss eingeschaltet.

[Können sich beide Organe im Vermittlungsauschuss einigen, kommt das Gesetz zustande, wenn es von Rat und Parlament – - nach einer dritten Lesung – angenommen wird.

 

Zum Vermittlungsauschuss kommt es aber selten. 80 Prozent aller EU-Gesetze werden nach einem „informellen Trilog“ verabschiedet. Dabei maximal 10 Vertreter der drei an der Gesetzgebung beteiligten Institutionen: Ministerrat, Kommission und Parlament.

 

In nicht öffentlichen Sitzungen kann es zu einer Einigung zu kommen.

Das macht den Gesetzgebungsprozess einerseits sehr effektiv, aber auf der anderen Seite auch sehr intransparent.

Neben dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gibt es auch das Zustimmungs- und das Konsultationsverfahren: Beim Zustimmungsverfahren ist die Zustimmung des Parlaments erforderlich, allerdings darf das Parlament keine Änderungsvorschläge einreichen. [Dieses Verfahren spielt im Bereich der Gesetzgebung bei der Annahme neuer Rechtsvorschriften für den Kampf gegen Diskriminierung eine Rolle]

Beim Konsultationsverfahren hat das Parlament nur eine beratende Rolle und nur der Rat stimmt über das Gesetz ab. [Jedes Ratsmitglied aus "wesentlichen Gründen der nationalen Politik, die es auch nennen muss" ein Veto einlegen].


Die EU und Du – Planet Schule (ab Sendeminute 3:30)


Die EU und Du – Planet Schule (ab Sendeminute 3:30)

https://www.youtube.com/watch?v=NXEgjp2fO0k&t=210s

 

Film: Die EU und Du (aktualisierte Fassung 2019)

Film online verfügbar bis 06. Mai 2024

https://www.planet-schule.de/sf/filme-online.php?film=11010&reihe=1324

 

Innerhalb der EU-(Sekundär-)Rechts unterscheidet man Verordnungen und Richtlinien. Dabei ist die Verordnung (wie die Dublin-Verordnungen) der strengere Beschluss von beiden. Sie gilt sofort und für jeden Mitgliedstaat und bedarf keiner Umsetzung in nationales Recht}. Alle Mitgliedstaaten müssen sich unmittelbar daran halten und dürfen auch keiner Änderungen vornehmen.

Eine Europäische Richtlinie (wie die EU-Datenschutzrichtlinie oder die Feinstaubrichtlinie) besteht immer aus einem Ziel und einer Frist. Es bleibt den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen, wie sie das Ziel [der Richtlinie] in der vorgegebenen Zeit erreichen. Sie haben also einen gewissen Spielraum. Am Ende steht dann in jedem EU-Land ein eigenes nationales Gesetz, das dem Ziel aus der Richtlinie entsprechen muss. …

Am Anfang jeder Richtlinie oder jeder Verordnung steht immer die europäische Kommission. Also der Kommissar oder die Kommissarin für einen bestimmten Fachbereich mit ihren Mitarbeitern. Sie entwickeln die Gesetzesvorschläge und haben das so genannte Initiativmonopol. Erst dann werden die eigentlichen Gesetzgeber ins Boot geholt: Rat und Parlament. Nehmen wir folgendes Beispiel: Die Kommission  möchte EU-weit nur noch extra große 5-Liter-Getränkedosen haben. Dann führt sie im Vorfeld erst einmal umfangreiche Anhörungen in der Sache durch, um möglichst alle Interessen in der Sache zu berücksichtigen.

Ihren fertigen Vorschlag zur 5-Liter-Maxi-Dose gibt die Kommission dann das den Rat der Europäischen Union und das EU-Parlament weiter.

 

Sendeminute 6:00:

 

Im Parlament beschäftigt sich nun ein Fachausschuss mit der Dosenidee. Das ist eine kleine Runde von Abgeordneten, die auf bestimmte Themen spezialisiert sind. Der Ausschuss gibt dann seine Einschätzung an die Gesamtheit der Parlamentarier weiter, ans Plenum.

 

Im Plenum stimmen die Abgeordneten nun in der so genannten ersten Lesung über die Maxidose ab und leiten ihr Ergebnis an den Rat weiter.

 

Dort sitzen die entsprechenden Fachminister aus allen Mitgliedsstaaten. Wenn die Ministerrunde nun das Ergebnis aus dem Parlament gut findet und keine Einwände hat, ist die ursprüngliche Kommissionsidee der Fünf Liter Dose angenommen. Die Verordnung wird erlassen und tritt in allen Mitgliedsländern in Kraft. Und bald gäbe es EU- weit die Getränke nur noch in Maxidosen.

 

Die meisten Entscheidungen auf europäischer Ebene, etwa 90% werden in diesem „ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ [welches man früher  „Mitentscheidungsverfahren“ nannte] zwischen Rat und Parlament getroffen. Dabei muss das Parlament mit absoluter Mehrheit seinem Gesetz zustimmen. Also mit der Mehrheit seiner Mitglieder. Während hier im Rat eine qualifizierte Mehrheit gilt: Diese besagt, dass mehr als 55% der Staaten im Ministerrat zustimmen müssen: Die Staaten, die zustimmen, müssen zudem 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren müssen.

 

Das Europaparlament ist eine der größten demokratischen Versammlungen der Welt. Die gut 750 Abgeordneten sitzen natürlich nicht immer im großen Plenarsaal. Doch hier finden die Debatten statt und die Abstimmungen, deren Ergebnis dann wiederum zum Ministerrat gehen.

 

Wenn in unserem Beispiel, der Rat der EU den Vorschlag des Parlaments [also die Fünf Liter Dose] nicht durchwinkt, fängt das Pingpongspiel erst richtig an.

 

Die Minister ändern jetzt also den Vorschlag aus dem Parlament und formulieren einen eigenen Standpunkt. Diesen schicken sie zurück an die Parlamentarier.

 

Die wiederum beraten nun in zweiter Lesung darüber, fügen gegebenenfalls wieder Änderungen hinzu und ab geht es wieder zurück zum Ministerrat.

 

Zwischendurch bezieht auch die Kommission Stellung. Ihr ist es wichtig, dass es sich jetzt überhaupt noch um ihre ursprüngliche Idee handelt.

 

Wenn [was selten geschieht – siehe weiter unten!] der Rat die erneuten Änderungen aus dem Parlament ablehnt, kommt das Vorhaben in einen Vermittlungsausschuss.

 

Können sich beide Organe hier einigen, wird die Maxidose in  dritter Lesung im Parlament und Rat angenommen.

 

Wird aber auch im Vermittlungsausschuss keine Einigung erzielt, ist das EU-Gesetz durchgefallen und es wird keine Fünf  Liter Dose geben.

 

Was man aber wissen muss ist, dass es sehr selten [zu einem Vermittlungsverfahren] und zur Dritten Lesung kommt. Denn man spricht schon informell [in einem informellen Trilog], vorab miteinander. Der Rat, das Parlament, die Kommission sprechen über Gesetzesvorhaben und dann werden Dinge vorgeschlagen, die vermutlich auch gangbar sind.


Die EU kurz erklärt - Das Gesetzgebungsverfahren

https://www.youtube.com/watch?v=cIunWNsWzvU

Rechtsetzung in der EU (europäischen Union)

https://www.youtube.com/watch?v=YOPNeMXLnJc



Ordentliches Gesetzgebungsverfahren

Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren (vor dem Vertrag von Lissabon Mitentscheidungsverfahren oder Kodezisionsverfahren genannt, ursprünglich auch Verfahren nach Art. 189b nach seiner Stelle im EG-Vertrag) ist das mittlerweile am häufigsten anzuwendende Gesetzgebungsverfahren in der Rechtsetzung der EU: Ca. 90% aller EU-Richtlinien und Verordnungen entstehen auf diese Weise.

Beispiele für die Anwendung des "ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens" sind die Bereiche "Asylrechliche Mindestnormen" und Datenschutz.

 

[Kennzeichen:]

[1.] Es ist in fast allen Bereichen der Gesetzgebung der EU anzuwenden, in denen im Rat der Europäischen Union eine Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit [doppelter Mehrheit] erfolgt [in denen also ein Vetorecht der nationalen Regriungen nicht möglich ist.] 

[2.] Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ist die Rolle des Europäischen Parlaments besonders stark ausgeprägt: Nach diesem Verfahren kann ohne seine Zustimmung ein Rechtsakt (z. B. Richtlinie oder Verordnung) nicht in Kraft treten. Dies gilt zwar auch für das Zustimmungsverfahren, aber nur im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren hat das Europäische Parlament auch das Recht, formelle Abänderungsvorschläge zu beschließen.

Das Mitentscheidungsverfahren wurde erstmals 1992 mit dem Vertrag von Maastricht für bestimmte Politikbereiche der Europäischen Gemeinschaft (EG) eingeführt.

[3.] Es ist das wichtigste Verfahren im Rahmen der supranationalen Gemeinschaftsmethode.

Quelle: Seite „Ordentliches Gesetzgebungsverfahren“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 12. Juli 2016, 15:53 UTC. URL:https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ordentliches_Gesetzgebungsverfahren&oldid=156082009 (Abgerufen: 29. September 2016, 17:31 UTC)




Exkurs: Die supranationale Gemeinschaftsmethode

Als [supranationale] Gemeinschaftsmethode wird eines der wichtigsten Beschlussfassungsverfahren der Europäischen Union bezeichnet. Im Gegensatz zur intergouvernementalen Methode und der offenen Methode der Koordinierung, bei denen vor allem die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten eine zentrale Rolle spielen, stehen bei der Gemeinschaftsmethode die supranationalen Institutionen der EU stärker im Vordergrund.

Die [supranationale] Gemeinschaftsmethode basiert auf folgenden Prinzipien:

Im Einzelnen können dabei innerhalb der Gemeinschaftsmethode verschiedene Rechtsetzungsverfahren angewandt werden, die jeweils im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag) angegeben werden. Im Regelfall ist dies das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, bei dem der Rat mit qualifizierter Mehrheit abstimmt und das Europäische Parlament bei der Gesetzgebung Änderungsvorschläge machen sowie gegebenenfalls einen Gesetzesvorschlag vollständig ablehnen kann. In einigen Bereichen gelten jedoch auch sogenannte besondere Verfahren, etwa das Zustimmungsverfahren, bei dem das Europäische Parlament nur zustimmen muss (also keine formalen Änderungsvorschläge machen kann), oder das Anhörungs. bzw.  Konsultationsverfahren, bei dem der Rat eine Entscheidung gegebenenfalls auch gegen den Willen des Parlaments verabschieden kann. Für einige Politikbereiche, etwa bestimmte Fragen der Sozial- und Steuerpolitik, gilt zudem im Rat das Einstimmigkeitsprinzip. 

Quelle: Seite „Gemeinschaftsmethode“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. Februar 2015, 20:40 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gemeinschaftsmethode&oldid=138468309 (Abgerufen: 29. September 2016, 16:10 UTC)



 

Ablauf des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens

Das Verfahren selbst richtet sich nach Art. 294 AEU-Vertrag und umfasst bis zu drei Lesungen.

Die Europäische Kommission hat das alleinige Initiativrecht (in den Verträgen sind Ausnahmen von diesem Prinzip vorgesehen) und schlägt einen Rechtsakt vor. Damit wird das Verfahren eingeleitet.

Das Europäische Parlament (gemäß Art. 225 AEUV) und der Rat der Europäischen Union (gemäß Art. 241 AEUV) können die Europäische Kommission auffordern, einen Rechtsakt vorzuschlagen. Eine solche Aufforderung [für eine Gesetzesinitiative] ist auch Unionsbürgern im Rahmen einer Bürgerinitiative möglich (Art. 11 EU-Vertrag und Art. 24 AEUV).

Neben den in den Verträgen geregelten Verfahrensschritten kann über das gesamte Verfahren hinweg ein sogenannter informeller Trilog, das heißt Beratungen zwischen zwei Mitgliedern des Europäischen Parlaments, dem Ratspräsidenten und der Europäischen Kommission, stattfinden.

Erste Lesung

Das Europäische Parlament (Parlament) berät über den Gesetzesvorschlag der Kommission und legt mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen (ohne Enthaltungen oder Nichtanwesende zu zählen) seinen Standpunkt fest. Das Parlament kann damit den Vorschlag ohne Änderungen billigen oder Änderungsvorschläge machen.

Darauf folgt die erste Lesung im Rat der Europäischen Union (Rat). Dieser kann per Beschluss mit qualifizierter Mehrheit entweder den Standpunkt des Parlaments annehmen oder einen eigenen Standpunkt erarbeiten. Bestätigt er den Standpunkt des Parlaments, so ist das Verfahren beendet und der Rechtsakt wurde erlassen.

Hat der Rat einen eigenen Standpunkt festgelegt, so informiert er das Europäische Parlament über die Gründe seiner Entscheidung. Auch die Kommission legt ihren Standpunkt in der Sache fest. Die Standpunkte des Rates und der Kommission werden an das Parlament zur zweiten Lesung übermittelt.

Zweite Lesung

Mit der Verabschiedung des Standpunkts des Rates und dessen Übermittlung an das Parlament beginnt eine dreimonatige Frist für die zweite Lesung.

Das Parlament entscheidet über den Standpunkt des Rates und hat drei Möglichkeiten:

  1. Ablehnung (mit absoluter Mehrheit der Mitglieder): Der Rechtsakt ist gescheitert. Die Kommission kann jedoch einen grundlegend überarbeiteten Vorschlag vorlegen (wodurch ein neues Verfahren eingeleitet wird).
  2. Annahme (mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen) oder kein Beschluss: Der Rechtsakt ist in der Fassung des Standpunktes erlassen.
  3. Annahme von Änderungsvorschlägen (mit absoluter Mehrheit der Mitglieder).

Hat das Parlament Änderungsvorschläge beschlossen, wird der Rat wieder befasst. Er kann den vom Parlament geänderten Text

  1. binnen drei Monaten billigen (der Rechtsakt wäre dann erlassen) oder
  2. binnen drei Monaten ablehnen oder in der Frist keinen Beschluss fassen (in diesem Fall wird ein Vermittlungsausschuss einberufen).

Über die Billigung der Änderungsvorschläge des Parlaments entscheidet der Rat mit qualifizierter Mehrheit. Hat jedoch die Kommission eine ablehnende Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen des Parlaments abgegeben, so bedarf der Beschluss im Rat der Einstimmigkeit.

Vermittlungsausschuss

Stimmt der Rat der geänderten Fassung des Parlaments nicht zu, wird ein Vermittlungsausschuss einberufen. Das Verfahren ähnelt dem zwischen Deutschem Bundestag und Bundesrat.

Der Vermittlungsausschuss ist paritätisch aus Vertretern von Rat und Parlament zusammengesetzt (der Ausschuss hat doppelt so viele Mitglieder, wie die UnionMitgliedstaaten hat). Die Kommission nimmt ebenfalls beobachtend teil (Trilog). Innerhalb von sechs Wochen muss eine Entscheidung gefunden werden. Kommt es zu keiner Einigung, ist der Rechtsakt gescheitert. Wird eine Einigung erzielt, folgt binnen sechs Wochen die dritte Lesung.

Dritte Lesung

In der dritten Lesung stimmen Parlament (mit absoluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen) und Rat (mit qualifizierter Mehrheit) über das Ergebnis des Vermittlungsausschusses ab. Lehnt auch nur eines der Organe den Text ab oder fasst auch nur eines der Organe in der sechswöchigen Frist keinen Beschluss, ist der Rechtsakt gescheitert, wird er von beiden bestätigt, ist er angenommen.

 

Praxis

In der Praxis zeigt sich, dass nur ein geringer Teil der Mitentscheidungsverfahren - wie das ordentliche Gesetzgebungsverfahren vor dem Vertrag von Lissabon genannt wurde - tatsächlich durch ein Vermittlungsverfahren gelöst werden musste - nicht zuletzt durch das Instrument des informellen Trilogs. Die absolute Zahl der Vermittlungsverfahren blieb nahezu konstant. Im Zeitraum 1994–1999 waren es im Schnitt 12 Vermittlungsverfahren jährlich (was damals 40 % von 30 entsprach). In den parlamentarischen Jahren 1999/2000 waren es 17 (26 % von 65), 2000/2001 20 (30 % von 66), 2001/2002 17 (23 % von 73) und 2002/2003 15 (17 % von 87). Seit 1999 und dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages ist es möglich, das Verfahren bereits in erster Lesung abzuschließen. Von dieser Möglichkeit wird auch Gebrauch gemacht: 1999/2000 in 13 Fällen (20 %), 2000/2001 in 19 Fällen (29 %), 2001/2002 ebenfalls in 19 Fällen (26 %) und 2002/2003 in 23 Fällen (27 %).

Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren bzw. das Mitentscheidungsverfahren kann jedoch auch in dritter Lesung scheitern – dies geschah zum ersten Mal im Dezember 1994 beim Verfahren zur Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen (Rothley-Bericht). In diesem Fall muss die Kommission einen neuen Vorschlag vorlegen und das Verfahren beginnt von vorn.


Informeller Trilog

Die Bezeichnung informeller Trilog (von lat. tri, dt. drei, Abwandlung von Dialog, engl. informal trialogue, auch triangle) wird im Rahmen des institutionellen Rechts der Europäischen Union verwendet. Man versteht darunter politische Verhandlungstreffen zwischen den drei im gesetzgebenden Prozess der EU involvierten Institutionen – der Kommission, dem Rat und dem Parlament. Es können ihnen vorbereitende technische Sitzungen voraus gehen, an denen Experten der drei Organe teilnehmen. Sie können Planungs-und Fristenfragen oder detailliert spezifische inhaltliche Fragen behandeln, häufig auf der Grundlage von Kompromisstexten.

Akteure

Trilogverhandlungen umfassen auf der Seite des Rates Vertreter des Ratsvorsitzes, insbesondere die Vorsitze des AStV I und II, aber auch die Vorsitze der Arbeitsgruppen und gelegentlich Minister, sowie auf der Seite des Europäischen Parlaments ein Verhandlungsteam, das aus dem Vorsitz des entsprechenden Ausschusses, den Berichterstattern und Schattenberichterstattern besteht. Die Kommission wird durch den zuständigen Referatsleiter oder Direktor und gelegentlich vom Generaldirektor oder einem Mitglied der Kommission vertreten. Während die Vertretungsebene des Parlaments in politischen Verhandlungen relativ einheitlich ist, hängt diejenige des Rates und der Kommission häufig von der Phase der Verhandlung und der Bedeutung der verhandelten Themen ab. Die Zahl der Teilnehmer soll je EU-Institution grundsätzlich nicht mehr als zehn Personen umfassen. Die Sitzungen sind nicht öffentlich. Vonseiten des Europäischen Parlaments finden vor den Trilogverhandlungen Orientierungsabstimmungen statt. Das Ergebnis solcher Abstimmungen dient der Delegation des Parlaments für ihre Verhandlungsführung als Grundlage.

Während der Vermittlung besteht das Verhandlungsteam des Parlaments aus dem Vorsitz der Vermittlungsdelegation (einer der Vizepräsidenten für Vermittlung), dem Vorsitz des parlamentarischen Ausschusses und dem Berichterstatter. Der Rat wird von Vorsitz des AStVI oder II oder dem zuständigen Minister, und die Kommission vom zuständigen Generaldirektor oder Kommissionsmitglied vertreten. Jede Einigung in den Trilogen ist informell und ad referendum und muss durch die in jedem der drei Organe anwendbaren formellen Verfahren gebilligt werden. Insbesondere im Parlament muss die Einigung durch eine Abstimmung im Ausschuss gebilligt werden, in der das Ergebnis der Verhandlungen angenommen wird. Die Häufigkeit und Zahl der Triloge hängt vom jeweiligen Thema und spezifischen politischen Umständen (etwa bevorstehende Wahlen zum Europäischen Parlament) ab. Wegen der Rotation im Ratsvorsitz gehen vom Rat üblicherweise Impulse aus, während jeder Präsidentschaft eine bestimmte Anzahl von Dossiers abzuschließen.

Ablauf des Verfahrens

Zweck der Verhandlung ist es, eine Einigung über ein Paket von Abänderungen zu erzielen, das für den Rat und das Parlament akzeptabel ist. Sie können in jeder Phase des Legislativverfahrens organisiert werden und zu einer Einigung in erster Lesung, frühzeitiger Einigung in zweiter Lesung, Einigung in zweiter Lesung oder zu einem gemeinsamen Entwurf während der Vermittlung führen. Das wichtigste Arbeitsmittel ist das sogenannte vierspaltige Arbeitsdokument: Die ersten drei Spalten stellen den jeweiligen Standpunkt der drei Organe dar, die letzte Spalte ist für die Kompromissvorschläge vorgesehen. Während der Trilogsitzungen, die von dem Mitgesetzgeber geleitet werden, der Gastgeber der Sitzung ist (d.h. entweder Parlament oder Rat) erläutert jedes Organ seinen Standpunkt, und es entwickelt sich eine Debatte. Die Kommission handelt als Vermittler, um eine Einigung zwischen den Mitgesetzgebern zu erleichtern. Die Teilnehmer an den Trilogen arbeiten auf der Grundlage der Verhandlungsmandate, die ihnen ihre jeweiligen Organe übertragen haben: vom zuständigen Ausschuss oder vom Plenum im Parlament, üblicherweise vom Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten im Rat, vom Kollegium in der Kommission. Die drei Delegationen suchen in informeller Weise nach Wegen zu einem Kompromiss, erstatten Bericht oder bitten regelmäßig um Aktualisierung ihres Mandats gemäß den internen Regeln ihres Organs, d.h. über das Verhandlungsteam und/oder im Ausschuss des Parlaments, im AStV oder der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates.

Kritik an den informellen Trilog-Verhandlungen

Befürworter von Trilogverhandlungen betonen sowohl hinsichtlich informeller als auch formeller Verhandlungen die erhöhte Effizienz und Beschleunigung des Verfahrens. Auch die Vertrautheit der Akteure, sowie die Abwesenheit der Öffentlichkeit in den Trilogverhandlungen seien bei der Kompromissfindung von Vorteil. Einschätzungen von Beobachtern zufolge ist die Rolle des Parlaments bei informellen Trilogverhandlungen gestärkt: In 70 % der Fälle der formellen Trilogverhandlungen sei das erzielte Ergebnis der Position des Rates näher als derjenigen Position des Parlaments.[1]

Trotz ihrer gesteigerten Effizienz bei der Kompromissfindung sind grundlegende Prinzipien von partizipativer und transparenter Demokratie bei den informellen Trilog-Verhandlungen vor der ersten Lesung nicht gewährleistet:

  • Durch informelle Trilogverhandlungen kommt das in Art. 294 AEUV vorgesehene ordentliche Gesetzgebungsverfahren nicht zur Anwendung.
  • Die nicht öffentliche Verhandlungsführung erschwert den nicht eingebundenen EP-Abgeordneten und Ratsmitgliedern, sich an der Kompromissfindung zu beteiligen. Dies schwächt die Rolle des Europäischen Parlaments erheblich, da seine Funktion als repräsentatives Demokratieorgan nicht mehr gewährleistet ist.[2]
  • Zudem wird die Einbringung von Expertise aus zivilgesellschaftlichen Interessengruppen durch die nicht öffentliche Debatte unterbunden.
  • Die durch informelle Trilog-Verhandlungen entstandenen Gesetzestexte sind im Hinblick auf ihre demokratische Legitimation beeinträchtigt, da die Verhandlungsleitlinien für die Delegation des Europäischen Parlaments in den Ausschüssen und im Plenum nicht gebilligt wurden.
  • Auch für den Bundestag ist das Ergebnis der Trilogverhandlungen nur nachträglich ersichtlich.
  • Da die Festlegung des Standpunktes von Rat und EP in erster Lesung durch die zuvor durchgeführten Trilogverhandlungen entfällt, ist für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar, wie sich die Vertreter des Rates und des EP im Rahmen von Trilogverhandlungen positionieren.
  • Ebenso ist der Verlauf der Verhandlungen für die Öffentlichkeit intransparent: Die Sitzungen sind nicht öffentlich, Ergebnisse und Protokolle sind lediglich für den internen Gebrauch (und nicht zur Veröffentlichung) bestimmt.

Seite „Informeller Trilog“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 15. September 2016, 10:32 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Informeller_Trilog&oldid=157118676 (Abgerufen: 29. September 2016, 17:25 UTC)



 Besondere Gesetzgebungsverfahren

Die besonderen Gesetzgebungsverfahren sind in den jeweiligen Rechtsgrundlagen festgelegt. Nach Art. 289 AEUV entscheidet der Rat der Europäischen Union mit Beteiligung des Europäischen Parlaments oder ausnahmsweise das Europäische Parlament mit Beteiligung des Rates der Europäischen Union. Die wichtigsten Verfahren sind das Konsultationsverfahren (Anhörungsverfahren) und das Zustimmungsverfahren.

Konsultationsverfahren (Anhörungsverfahren)

Das Konsultations- oder Anhörungsverfahren (Code CNS) findet nur mehr in Fällen Anwendung, die nicht ausdrücklich dem Verfahren der Zustimmung oder dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren unterliegen. Es war das ursprüngliche Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Gemeinschaften.

Nach einem Vorschlag der Kommission und Stellungnahme des Europäischen Parlaments (das lediglich "angehört wird") sowie gegebenenfalls des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschussesund des Ausschusses der Regionen entscheidet der Rat der EU über die Annahme des Vorschlags, mit qualifizierter Mehrheit, wobei aber jedes Ratsmitglied aus "wesentlichen Gründen der nationalen Politik, die es auch nennen muss" ein Veto einlegen kann (Art. 31 Abs. 2, Unterabsatz 2 EUV).

Angewandt wird das Anhörungsverfahren beispielsweise für Wettbewerbsregeln (Art. 103 AEUV) und im Steuerrecht

 

Zustimmungsverfahren (AVC)

Das Zustimmungsverfahren (Code AVC) wurde mit der Einheitlichen Europäischen Akte eingeführt und gibt dem Parlament die Möglichkeit, der Annahme bestimmter Vorschläge der Kommission zuzustimmen oder seine Zustimmung zu verweigern. Das Parlament kann den Vorschlag jedoch nicht abändern. Nach Zustimmung des Parlaments entscheidet der Rat über die Annahme des Vorschlags, und zwar mit qualifizierter Mehrheit oder, wo dies ausdrücklich vorgesehen ist, einstimmig. Er kann den Vorschlag der Kommission jedoch durch einstimmigen Beschluss auch abändern.

Das Europäische Parlament hat in diesen Bereichen ein Vetorecht. Das Verfahren war ursprünglich nur für den Abschluss von Assoziierungsabkommen oder die Prüfung von Anträgen auf den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft vorgesehen und findet derzeit zum Beispiel in folgenden Bereichen Anwendung:

Seite „Rechtsetzung der Europäischen Union“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 15. September 2016, 07:56 UTC. URL:https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Rechtsetzung_der_Europ%C3%A4ischen_Union&oldid=157940138 (Abgerufen: 29. September 2016, 19:44 UTC)





Beschluss (EU)

Ein Beschluss (früher Entscheidung, engl. decision) ist ein Rechtsakt der Europäischen Union und als solcher Teil des sekundären Rechts der Union. Beschlüsse werden je nach Thema des Beschlusses aufgrund eines der in den Verträgen vorgesehenen Verfahren erlassen.

Beschlüsse können an bestimmte Adressaten (wie Mitgliedstaaten, Unternehmen oder Einzelpersonen) oder an die Allgemeinheit gerichtet werden. Sie sind lautArt. 288 AEUV in allen ihren Teilen verbindlich, wobei Beschlüsse, die an bestimmte Adressaten gerichtet sind, nur für diese verbindlich sind. In Ausnahmefällen können Beschlüsse, die an einzelne Adressaten gerichtet sind, auch gegenüber Dritten eine begünstigende Drittwirkung entfalten. Das ist dann der Fall, wenn ein an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union gerichteter Beschluss eine hinreichend klare Verpflichtung dieses Staates gegenüber einzelnen Bürgern enthält.

Beschlüsse werden immer angenommen, wenn eine Entscheidung verbindlich sein soll, aber kein Fall für den Erlass von Verordnungen oder Richtlinien vorliegt. Sie sind nach den Verträgen zum Beispiel in folgenden Fällen vorgesehen:



Beschlüsse im Rahmen der GASP können vom Hohen Vertreter, aber auch von allen Mitgliedstaaten vorgeschlagen werden (Art. 30 EU-Vertrag); anders als in anderen Politikbereichen der EU liegt das Initiativrecht hier also nicht nur bei der Europäischen Kommission.

Die Beschlüsse werden vom Rat nach Art. 31 EU-Vertrag grundsätzlich einstimmig gefasst, jeder Staat hat also ein Vetorecht.

Seite „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 12. September 2016, 22:48 UTC. URL:https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gemeinsame_Au%C3%9Fen-_und_Sicherheitspolitik&oldid=157880550 (Abgerufen: 29. September 2016, 19:51 UTC)