Sozistunde 13154 - Der türkisch-kurdische Konflikt


Sk 13150a Der Konflikt in Syrien 2020

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Sk 13150b Mitschriften - Der Konflikt in Syrien 2020

PDF: https://drive.google.com/open?id=1rhElC1GSexHdyXcj0rWJZjcQgjWPN3j6


Türken gegen Kurden - Der Konflikt erklärt

https://www.youtube.com/watch?v=ZWdA4p9sFro


Türken gegen Kurden - Der Konflikt erklärt

https://www.youtube.com/watch?v=ZWdA4p9sFro

Inhalt des Videos mit Hintergrundinformationen

1. Die historische Entstehung des türkisch-kurdischen Konflikts

1.1. Die kurdische Perspektive

1.1.1. Die Kurden als Volk ohne Staat

- Die Mehrheit der Kurden bekennt sich zum Islam, wobei es sich überwiegend um sunnitische Muslime handelt.

- 3 bis 5 % sind schiitische Muslime, die ganz im Süden des kurdischen Verbreitungsgebiets im Irak nahe der iranischen Grenze leben

- Daneben bekennen sich etwa 15 % der Kurden zum Alevitentum, [Die türkischen Aleviten sind nicht identisch mit den gleichnamigen Alawiten in Syrien]

- 5 % der Kurden sind Jesiden, außerdem gibt es einige wenige Christen und Juden.

Die Kurden sind ein Volk aus 35 Millionen Menschen, welches keinen eigenen Staat, aber eine eigene Kultur besitzt. Die miteinander verwandten kurdischen Sprachen gehören nicht zur arabischen oder türkischen Sprachfamilie, sondern zu den indogermanischen Sprachen, sie sind mit der iranischen Sprache verwandt.

1.1.2. Das Sykes-Picot-Abkommen (von 1916) regelte: Die Kurden erhalten keinen eigenen Staat

Die Kurden hatten im Osmanischen Reich (1299-1922) eine gewisse Unabhängigkeit  bzw. Autonomie.

Dies änderte sich aber mit der Niederlage und dem Zusammenbruch dieses Reiches nach Ende des Ersten Weltkriegs.

Frankreich und Großbritannien hatten schon während des Krieges das geheime Sykes-Picot-Abkommen abgeschlosssen. In diesem Abkommen wurde die zukünftige Aufteilung des Osmanischen Reichs nach dessen erwarteter Niederlage geregelt. Die Siegermächte Frankreich und Großbritannien legten dabei ihre Interessengebiete im Nahen Osten fest.

Das britisch-französische Sykes-Picot-Abkommen (von 1916) regelte die künftige Nachrkriegsordnung im Nahen Osten:

Aus dem Osmanischen Reich entstanden infolge dieses Abkommens mehrere Nachfolge-Staaten: Allem voran die moderne Republik Türkei.  Daneben wurden zahlreiche arabische Staaten wie der Libanon, der Irak, und Syrien gegründet, die lange Zeit unter französischen Einfluss standen - während Jordanien und der Nordirak zunächst unter britischen Einfluss stand.

Die Kurden aber erhielten keinen eigenen Staat und bildeten dort, wo sie lebten eine Minderheit: Im  Iran gibt es z. B. 5,7 Millionen Kurden, im Irak leben 4 Millionen Kurden, 1 Millionen Kurden gibt es in Syrien, 400.000 in Armenien. Die meisten Kurden leben heute in der Türkei, nämlich 13 Millionen.

Die Kurden wurden in diesen neu gegründeten Staaten (mehr oder weniger) systematisch unterdrückt: Man hat ihnen verboten, ihre eigene Sprache zu sprechen und ihnen nicht erlaubt, auf ihrem Gebiet eine eigene Regierung zu haben. Die Kurden haben erfolglos versucht, sich dagegen zu wehren. Aber nur im Irak ist es den Kurden gelungen, dauerhaft eine eigene autonome Region zu bekommen. Im Nordirak wurde mit der im Jahre 2005 erlassenen irakischen Verfassung Autonome Region Kurdistan geschaffen.

1.1.3. Sprachliche, wirtschaftliche und politische Benachteiligung und Unterdrückung der Kurden von 1923-2002

Aus kurdischer Sicht ist klar: In der Türkei wurden die Kurden a) kulturell, b) wirtschaftlich und c) politisch unterdrückt.

1.1.3.a) Unterdrückung der kurdischen Kultur und Sprache

In der Türkei ging man nach der Staatsgründung 1923 dazu über, die Kurden zwangsweise zu assimilieren bzw. anzupassen. Das Osmanische Reich war noch ein Vielvölkerstaat. Die  türkischen Nationalisten und Staatsgründer Kemal Atatürk wollten nun, dass sich die Kurden sich dem Türkentum kulturell und sprachlich unterordnen sollten.

Es war bis zur Jahrtausendwende in der Türkei weitgehend verboten, in öffentlichen bzw. offiziellen Zusammenhängen kurdisch zu sprechen. Kurdischsprachige Zeitungen waren bis 1991 verboten,

1.1.3.b) Wirtschaftliche Benachteiligung der Kurden

Die Kurden wurden von der türkischen Regierung wirtschaftlich gezielt isoliert bzw. benachteiligt. In den kurdischen Gebieten sind Armut und Arbeitslosigkeit auch heute noch besonders groß.

Es gibt kurdische Gebiete, in denen liegt die Arbeitslosenquote weit über 50%., es gibt auch weniger Flughäfen, generell weniger Infrastruktur in den kurdischen Gebieten und das ist eine ganze Zeit lang beabsichtigt gewesen.

1.1.3.c) Politische Benachteiligung der Kurden

Auch politisch wurden die Kurden jahrzehntelang gezielt klein gehalten. In der Türkei gilt bei Parlamentswahlen die 10-Prozent-Hürde. Das soll verhindern, das Parteien, die die kurdische Minderheit vertreten, ins Parlament kommen.

Erst in Jahr 2015 konnte zum ersten Mal eine mehrheitlich kurdische Partei – die HDP –die Zehn-Prozent-Hürde überwinden.

[Anmerkung: Auch bei den Parlamentswahlen im Juni 2018 konnte die HDP mit 11,7 % der Stimmen erreichen. Der HDP wird von Seiten der regierenden AKP und dem türkischen Präsidenten Erdoğan vorgeworfen, der von vielen Staaten als Terrororganisation eingestuften PKK nahezustehen. Wegen solcher Vorwürfe befanden sich im Juli 2017 elf Abgeordnete der HDP in Haft.]

1.2. Die türkische Perspektive

Nach der Gründung der modernen Republik Türkei im Jahr 1923 stellte der Staatsgründer Kemal Atatürk das Türkentum in den Mittelpunkt des  Neuanfangs. Aus dem ehemaligen osmanischen Vielvölkerreich sollte ein türkischer zentraler Einheitsstaat werden.

Für die Türkei ist klar: Kurden, die in der Türkei leben sind Türken. [Türkische Nationalisten sprachen den Kurden über Jahrzehnte eine eigene Identität ab und bezeichnen die Kurden als „Bergtürken“ ]

Für die Kurden gelten die gleichen Regeln wir für andere Türken auch. Kurden dürfen keine eigene Sprache haben, sie dürfen keine Parallelstrukturen bzw. keine Parallelkultur entwickeln und deshalb müssen sie sich an türkische Regeln halten.

Aus türkischer Sicht haben die Kurden aber schon oft mit den türkischen Regeln gebrochen und nicht nur das: Kurden haben schon oft versucht, den türkischen Staat zu schaden. Den ersten Kurdenaufstand gab es 1925 durch Scheich Said.

Die Regeln verletzt hat vor aber vor allem die 1978 gegründete kurdische Arbeiterpartei PKK - angeführt durch Abdullah Öcalan.

Arbeiterpartei, das klingt erstmal ziemlich harmlos, aber: Dahinter verbirgt sich aus türkischer Sicht eine Terrororganisation. Und auch die EU sagt bisher noch immer: Die PKK ist eine Terrororganisation.

[Anmerkung: Die PKK gilt aber nicht nur in der Türkei, sondern auch in der vielen anderen Staaten (z. B. USA, Syrien, Irak, Iran, Saudi-Arabien usw.). Auch die EU stuft die PKK als terroristisch ein.Nach einem neuen Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahre 2018 ist diese Einstufung der PKK aber nicht hinreichend begründet. Aktuelle Auswirkungen hat das Urteil jedoch bis jetzt noch nicht: Das PKK-Verbot in Deutschland bleibt bisher (Stand Ende 2019) auch dem EGH-Urteil bestehen.]

Die PKK hat im Laufe der Jahre viele Anschläge verübt und ist für 40.000 Tote verantwortlichdas sagen zumindest offizielle türkische Angaben.

Das Ziel hinter den Anschlägen war, das die Kurden in der Türkei einen eigenen Staat bekommen – das war vile Jahre lang das Ziel der PKK.

Mit Worten war da jahrelang wenig zu machen. Die türkische Regierung hat gesagt: „Wir verhandeln nicht mit Terroristen.“ Und die PKK hat gesagt: Wir setzen uns erst an einen Tisch, wenn es ein vernünftiges Angebot gibt. Dazu kam es aber nicht.

Der PKK-Gründer Abdullah Öcalan wurde 1999 festgenommen. Seitdem sind die Anschläge der PKK zurückgegangen. Inzwischen war man an einem Punkt, das die PKK sagt: „Wir wollen das ganze gewaltfrei über die Bühne bekommen.“

 

2.Die neueren Entwicklungen

2.1. Phase der kurdisch-türkischen Annäherung (2002 bis 2014)

Seit der Jahrtausendwende ist die türkische Regierung auf die Kurden zugegangen. Als 2002 die islamische AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) unter Erdogan an die Regierung kam, schien sich das Verhältnis zwischen Kurden und Türken zunächst zu verbessern.

2005 sprach der heutige Präsident Erdogan zum ersten Mal davon, dass es tatsächlich ein Kurdenproblem in der Türkei gibt. Bis dahin hat man das immer abgelehnt und gesagt: „Das sind alles Terroristen, die sich da auflehnen und ansonsten gibt es kein Problem.“

[Anmerkung: Erdogan sprach die Kurden vor allem als muslimische Glaubensbrüder an

Vgl.: https://www.igfm.de/von-atatuerk-bis-erdogan-der-konflikt-zwischen-tuerken-und-kurden/

Seit 2009 gibt es einen staatlichen, offiziellen kurdischen Fernsehsender mit Ganztagsprogramm, seit 2013 wurde die kurdische Sprache als Wahlfach in staatlichen Schulen und Universitäten angeboten. Seit 2013 ist in der Türkei zudem der Gebrauch von Buchstaben q, w und x, die im kurdischen nicht aber im türkischen Alphabet vorkommen, erlaubt (vgl.; https://de.wikipedia.org/wiki/Kurden_in_der_Türkei]

Seit 2009 laufen in Oslo erste geheime Friedensgespräche zwischen dem türkischen Staat und der PKK.

Dann aber kam der Krieg und Syrien und insbesondere das Vorrücken des IS.

In Nordsyrien leben viele Kurden. Und die syrische Regierung unterstellt diesen Kurden, dass sie der PKK nahe stehen. Und das sie nur sagen: Wir brauchen Waffen, um gegen den IS zu kämpfen, damit sie mit diesen Waffen Anschläge in der Türkei verüben können. Das ist die Theorie der türkischen Regierung und (unter anderem deshalb) hat man auch ziemlich lange den IS unterstützt, was natürlich für einen großen Vertrauensverlust gesorgt hat.

Und zack – schon hat sich die Befürchtung der türkischen Regierung bewahrheitet, denn auf dem Gebiet der Türkei haben Kurden türkische Soldaten angegriffen und getötet, angeblich mit den Waffen, die sie vorher im Kampf gegen den IS bekommen haben. Daraufhin hat die Türkei gesagt: OK, uns reicht es, wir greifen jetzt kurdische Gebiete in der Türkei an. Jetzt stehe wir wieder da und sind beim Anfang des Konflikts.

 

3. Das Scheitern des Friedensprozesses

Ende Juli 2015 erklärte Erdoğan den Friedensprozess mit den Kurden für gescheitert.

Die Ursachen für das Scheitern des Friedensprozesses sind vor allem im Krieg in Syrien zu sehen.

Im Oktober 2014 kam es in zahlreichen türkischen Städten bei Demonstrationen zu gewaltsamen Zusammenstöße zwischen türkischen Kurden und Polizisten.

Die Kurden warfen der türkischen Regierung vor, nichts gegen den IS zu tun und mit diesem zu kooperieren. Bei den Protesten kamen 30 Menschen zu Tode.

Hintergrund der Demonstrationen waren die heftigen Kämpfe um die syrische Stadt Kurdenstadt Kobane. YPG-Milzen verteidigten die Stadt gegen den IS. Bei einem militärischen Erfolg der IS-Milizen wurde ein Massaker an den Kurden in Kobanê befürchtet.

Tatsächlich waren Angriffe des türkischen Militärs gegen den »Islamischen Staat« (wie die Offensive in Dscharablus 2016 eher selten, die Türken sehen in der YPG den Hauptgegner:

Am 20. Januar 2018 begann die türkische Militär eine mit Luft -und Bodentruppen geführte Offensive auf die nordsyrische Stadt Afrin.  unter dem Namen „Operation Olivenzweig“. Der Name spielt auf das Friedenssymbol des Olivenzweigs an. Am 18. März später gab das türkische Militär bekannt, man habe die Kontrolle über die Stadt gewonnen.

Im Oktober 2019 begann die großangelegte Militäroperation „Friedensquelle“

Ziel dieser Offensiven war es, die YPG aus dem Grenzgebiet zu vertreiben.

Die türkische Seite wirft der YPG vor, ein Ableger der kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein.




Mit offenen Karten: Kurdistan - Ein neuer Staat im Nahen Osten? | arte

(2013)

 Im Herzen des Nahen Osten, der in einen ewigen Konflikt versunken scheint, erleben die irakischen Kurden seit 20 Jahren einen politischen und wirtschaftlichen Aufschwung. "Mit offenen Karten" geht auf die geschichtlichen Hintergründe dieser Autonomen Region Kurdistan im Norden Iraks ein und zeigt deren gegenwärtige und zukünftige Probleme auf.

Moderation: Jean-Christophe Victor

Mehr sehen unter:

Mit offenen Karten - Kurdistan Kurden Wahre Geschichte

https://www.youtube.com/watch?v=F34RzmHQBiU

Ab Sendeminute 5: Die Türkei und die Kurden

https://youtu.be/F34RzmHQBiU?t=303




Mit offenen Karten: Kurdischer Staat oder kurdische Staaten? | arte (2018)

Kurdistan bedeutet so viel wie „Land der Kurden“. Doch die 32 bis 35 Millionen Kurden sind das größte Volk der Erde ohne eigenen Staat. „Mit offenen Karten“ beleuchtet das Schicksal dieses Volks mit seiner langen Geschichte. Aus historischen und geopolitischen Gründen leben die Kurden heute zerstreut in der Türkei, im Iran, in Irak und Syrien. Kann die Unterstützung der Kurden durch die Großmächte deren Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat überdauern? Ist ein unabhängiger Kurdenstaat ohne Krieg denkbar? Oder liegt die Lösung eventuell in mehreren kurdischen Staaten?

Moderation: Emilie Aubry

Mehr sehen unter:

Mit offenen Karten - Kurdischer Staat oder kurdische Staaten

https://www.youtube.com/watch?v=B2OP2HAfQrc oder:

https://www.youtube.com/watch?v=lb7c5Bc4g7A

 

Die Türkei unter Erdogan und die Kurden (Sendeminute 9:00)

https://youtu.be/B2OP2HAfQrc?t=546