Islamkunde: Schiiten und Sunniten
http://www.faz.net/aktuell/politik/islamkunde-wer-sind-schiiten-und-sunniten-13135470.html
Mit offenen Karten: Schiiten/ Schiismus (2007)
http://www.dailymotion.com/video/x2vzjuf -sehenswert
Als der Prophet Mohammed 632 in Medina starb, hinterließ er keinen männlichen Nachfahren und keine Anordnungen
hinsichtlich seiner Nachfolge. Seine Gefährten beschlossen daraufhin, den geeignetsten Mann zum Anführer der jungen muslimischen Gemeinschaft zu bestimmen. So entstand das Amt des "Kalifen", des
Nachfolgers des Propheten. Die ersten Kalifen waren: Abu Bakr, Omar und Othman.
Sie verbreiteten die neue Religion weit über die Arabische Halbinsel hinaus.
656 wurde Ali, Vetter und Schwiegersohn des Propheten, vierter Kalif. Aber er wurde von einem Teil der Muslime
nicht anerkannt, u. a. von Moawija, dem Statthalter von Damaskus. Dieser Streit führte 657 zur Schlacht von Siffin. Ali wurde entmachtet und starb wenige Jahre später. Moawija nutzte das aus,
ließ sich zum Kalifen ernennen und begründete damit die erste Kalifendynastie, die der Omaijaden, die in Damaskus bis 750 herrschte.
Vor diesem historischen Hintergrund entstanden zwei gegensätzliche Konzeptionen des Islam:
• Ein
Teil der Muslime war der Auffassung, dass der Kalif aufgrund seiner moralischen, religiösen und politischen Qualitäten ausgewählt werden sollte – das waren die Sunniten.
• Für den
anderen Teil musste die muslimische Gemeinschaft von einem Nachfahren des Propheten geleitet werden – das waren die Anhänger Alis, auf arabisch "Schiat Ali", daher die Bezeichnung
"Schiiten“
Aus diesem Schisma entstand nach dem Tod Husains, Alis zweiten Sohns, eine religiöse Bewegung. Husain wurde 680 in Kerbala vom Omaijaden-Kalif Yazid ermordet. Das war die Geburtsstunde des Schiismus. An Aschura wird noch heute jedes Jahr des Märtyrertods Husains gedacht. Kerbala, aber auch Nadschaf, wo Ali begraben ist, sind die wichtigsten heiligen Stätten der Schiiten.
Die Schiiten machen 12 – 15 % der Muslime aus. Der Iran ist das bedeutendste schiitische Land. Von seinen 70 Millionen Einwohnern sind fast 90 % Schiiten, und der Schiismus ist seit 1501 Staatsreligion. Historisch gesehen ist er aber keine typisch persische, sondern eher eine arabische Erscheinung.So leben viele Schiiten • im Irak – wo sie über 60 % der Bevölkerung ausmachen• im Libanon, wo fast 40 % der Einwohner Schiiten sind• in Bahrain • im Jemen • in Katar • und Kuwait.• In Saudi-Arabien gibt es eine schiitische Minderheit im Osten des Landes, etwa 15 % der Bevölkerung. Außerhalb der arabischen Welt gibt es Schiiten in Aserbaidschan – wo sie die Mehrheit bilden – sowie in Pakistan, Afghanistan und in der Türkei. Dort sind 25 % der Bevölkerung Aleviten, die zu den Schiiten gezählt werden. Kleinere schiitische Bevölkerungsanteile gibt es in Indien und Zentralasien.
Anzumerken ist, dass die Schiiten in den meisten dieser Staaten in der Minderheit sind. Aber auch wenn sie in
der Mehrheit sind, ist die Macht meistens in der Hand der Sunniten. Nun hat sich aber das politische Kräfteverhältnis zwischen Schiiten und Sunniten im Nahen Osten aufgrund mehrerer Ereignisse
verändert.
• Zunächst einmal gelangte 1979 durch die islamische Revolution in Teheran ein schiitisches Regime an die
Macht, zur großen Überraschung der sunnitischen Regime der Region.
• Dann tat sich im libanesischen Bürgerkrieg 1982 eine vom Iran unterstützte politisch-militärische Bewegung hervor, die Hisbollah.
• Anschließend gelangten 2003 durch den Sturz Saddam Husseins erstmals die im Irak die Mehrheit bildenden Schiiten an die Macht.
• Und schließlich konnte die Hisbollah 2006 angesichts der israelischen Angriffe im Südlibanon einen Teilerfolg erzielen.
Manche sunnitischen Regierungen in arabischen Ländern wie Jordanien und Ägypten befürchten die Entstehung eines schiitischen "Bogens", also einer zunehmenden politischen Bedeutung der Schiiten im Nahen Osten, wodurch sie ihre Interessen bedroht sehen.
Ein „schiitischer Bogen" bzw. "schiitischer Halbmond", der sich aus der Verbindung der hauptsächlich von
Schiiten bewohnten Gebiete vom Libanon über Syrien und den Irak bis hin zum Iran ergibt, wird zumindest aus zwei Gründen als Bedrohung empfunden:
• Einige Schiiten leben in Gebieten, die reich an Erdöl sind. Das gilt für die Schiiten in der Provinz al-Hasa
in Saudi-Arabien und die Schiiten im Südosten des Irak. Autonomieforderungen dieser Bevölkerungsgruppen könnten die Regime destabilisieren.
• Ein solcher Bogen würde dem Iran auf regionaler und internationaler Ebene zu mehr Einfluss verhelfen.
Ob es solch einen "schiitischen Bogen" überhaupt gibt, ist nicht sicher. Denn zunächst einmal beruht das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinschaft nicht nur auf religiösen Kriterien. So kämpften im Krieg zwischen dem Iran und dem Irak die irakischen Schiiten gegen die iranischen Schiiten, und zwar 8 Jahre lang, von 1980 bis 88. Außerdem sind die Schiiten untereinander gespalten. Die meisten, darunter die iranischen Schiiten, verehren 12 Imame, von denen der letzte im 9. Jahrhundert auf mysteriöse Weise verschwand. Andere wie die Saiditen im Jemen erkennen nur 5 Imame an. Und die Ismailiten in Zentralasien betrachten nur die ersten 7 Imame als rechtmäßig.
Für alle Schiiten – abgesehen von denen im Iran – gilt, dass sie meist von der Macht ausgeschlossen waren. Und
aufgrund dieser historischen Tatsache kann der Schiismus auf politischer Ebene instrumentalisiert werden.
So erheben die Schiiten im Irak, in Bahrain und im Libanon, wo sie jeweils die größte Bevölkerungsgruppe sind,
vor allem Anspruch darauf, im eigenen Staat besser vertreten zu sein. In Saudi-Arabien galten die Schiiten lange als Ketzer. Sie wurden von den herrschenden Wahhabiten unterdrückt und fordern nun
ihr Recht auf Religionsfreiheit ein.
Diese Gruppen fordern in erster Linie eine Anerkennung im eigenen Staat. Demnach hätten die Schiiten eher nationale als darüber hinaus gehende
gemeinsame Ziele.
Im Libanon wurde die schiitische Hisbollah von Beginn an durch den schiitischen Iran unterstützt, schon allein wegen ihrer Feindschaft gegen Israel. Aber deshalb ist sie keine Marionette Teherans, denn ihre nationalen Interessen scheinen ihr wichtiger zu sein als internationale Ziele. 2006 wollte die Hisbollah im Krieg gegen Israel in erster Linie beweisen, dass nur sie in der Lage war, den Libanon zu verteidigen.
Auch im Irak begünstigt die schiitische Erneuerung nicht nur den iranischen Einfluss in der Region. Zwar sind die Beziehungen zu Teheran enger geworden, aber die politische und religiöse Rivalität zwischen irakischen und iranischen Schiiten bleibt bestehen. Die Schiiten im Irak wollen eine vom Iran unabhängige Geistlichkeit behalten, und die heilige Stadt Nadschaf könnte wieder die Hauptstadt des Schiitentums werden, zu Ungunsten der iranischen Stadt Qom.
DER ISLAM IM KONFLIKT (1/2) Erstausstrahlung Januar 2015
http://ddc.arte.tv/unsere-karten/der-islam-im-konflikt-1-2
Mit offenen Karten "Der Islam im Konflikt 1/2 - Sunniten und Schiiten"
https://www.youtube.com/watch?v=BBZSjAopHHc&t=1s
DER ISLAM IM KONFLIKT (2/2) Erstausstrahlung Januar 2015
http://ddc.arte.tv/unsere-karten/der-islam-im-konflikt-2-2
Mit offenen Karten "Der Islam im Konflikt 2/2 Der Islamische Staat"
https://www.youtube.com/watch?v=bzu0spzp_sQ&t=0s
Mit offenen Karten "Der Islam im Konflikt 2/2
https://www.youtube.com/watch?v=bzu0spzp_sQ
Relevante Aussschnitte aus dem Video
Mit offenen Karten "Der Islam im Konflikt 2/2:
Durch die Intervention der USA im Irak im Jahr 2003 wurde das Kräfteverhältnis in der Region erschüttert. Denn nach dem Sturz Saddam Husseins verlor im Irak die sunnitische Minderheit die Macht, die sie seit dem britischen Völkerbundsmandat innegehabt hatte. Denn dort gelangten 2006 die Schiiten, die die Bevölkerungsmehrheit im Irak stellen an die Macht.
Die schiitische Regierung, die nach dem Sturz Saddams Husseins im Irak die Amtsgeschäfte übernahm, suchte die Annäherung an den Iran, was die sunnitischen Golfmonarchien (vor allem Saudi-Arbabien) als Bedrohung empfanden. Für sie war der Irak ins schiitische Lager übergewechselt, was das Ende der mentalen Grenze zwischen persischen Schiiten und erst osmanischen, dann arabischen Sunniten bedeutete.
Man begann auf [sunnitscher Seite] vereinfachend von einem „schiitischen Halbmond“ bzw. „schiitischen Bogen“ zu sprechen, der sich vom Iran (unter Mahmud Ahmadinedschad) über den Irak (unter Nuri al-Maliki) und Syrien (unter dem den schiitischen Alawiten angehörenden Baschar al-Assad) bis in den Libanon erstreckt, wo sich die [vom Iran finanzierte] Hisbollah-Partei und -Milliz ebenfalls aus Schiiten zusammensetzt.
Auf der Seite des schiitischen Irans fühlte von Sunniten eingekreist: Von Arabern und Türken im Westen, Utkmenen und Usbeken im Norden, sowohl [afghanische) Paschtunen im Osten
[...] Die Gebiete und Städte, die der „Islamische Staat (IS)“ in Syrien und im Irak im September 2014 kontrollierte reichen vom Norden Syriens bis in den Osten des Irak, an die Grenze zum Iran. Vergleicht man diese mit den sunnitischen und schiitischen Siedlungsgebieten, dann wird deutlich, dass der IS vor allem von Sunniten bewohnte Gebiete kontrolliert. Der Organisation ist es gelungen, die sunnitischen Stämme der Region gegen die als schiitsch empfundenen Regierungen in Bagdad und Damaskus für sich zu vereinnahmen.
Quelle: Mit offenen Karten - Der Islam im Konflikt 2/2
Naher OstenDer Krieg 2006 und die Situation heute
Vor zehn Jahren begann der einmonatige Krieg zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah. Seitdem ist die Gemengelage im gesamten Nahen sowie Mittleren Osten noch unübersichtlicher als zuvor. Sunniten gegen Schiiten, Sunniten und Schiiten gegen Kurden, islamistische Terroristen gegen moderate und säkulare Muslime. Weitgehend einig sind sich Experten aber in einem: Was mit Syrien passiert, wird die Zukunft der gesamten Region bestimmen.
Zwar geht es in den Radiobeitrag zunächst um den Libanonkrieg 2006, die Reportage analysiert gut den aktuellen Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten im Mittlern Osten-