Sozistunde 12061a – Die Rede von Hubert Aiwanger in Erding am 10.06.2023


Flugblatt-Vorwürfe gegen Aiwanger:

Warum sein Ex-Lehrer den Fall jetzt öffentlich machte

Stand:30.08.2023, 05:09 Uhr Von: Lukas Rogalla

München – Wenige Wochen vor der Landtagswahl sorgen Vorwürfe gegen Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger für Aufregung. Während seiner Schulzeit soll der heutige Vorsitzender der Freien Wähler ein antisemitisches Flugblatt verfasst haben. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) hatte über den Fall berichtet. …

Nun meldet sich offenbar ein Lehrer an Aiwangers ehemaliger Schule zu Wort. Nach einer äußerst kontroversen Rede im Wahlkampf in Erding im Juni habe er sich an die SZ gewandt und den Skandal ins Rollen gebracht. …

Besagter Lehrer hatte damals, im Jahr 1988, der Disziplinarkommission angehört, die über die Strafe für das Flugblatt beriet. Er habe zu dieser Zeit noch von einer „Jugendsünde“ gesprochen.

Doch Aiwangers Rede in Erding, die beispielsweise von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) als „von ganz, ganz weit rechts“ kommend bezeichnet wurde, habe auch beim Lehrer, der nicht namentlich genannt werden wollte, für ein ungutes Gefühl gesorgt.



Erding: Tausende demonstrieren gegen Heizungsgesetz | BR24 - YouTube

https://www.youtube.com/watch?v=r0alRJLIoDQ

 

Mit Buh-Rufen und Pfiffen wird Markus Söder von vielen Demonstrierenden empfangen. Die Kabarettistin Monika Gruber - Mitinitiatorin der Veranstaltung -  greift mehrfach ein:

Monika Gruber: Entschuldigung. wir leben in einer Demokratie Freund: Lasst bitte jeden Redner ausreden!

„Haut selber ab“ entgegnet Söder den Skandierenden [die in ausbuhten]; wer so agiere, sei kein Demokrat.

Markus Söder: Die bürgerliche Mittel hat nichts mit der AfD, die bürgerliche Mitte hat nichts mit Antidemokraten zu tun.

[Söder sagte auch]; Die Demo sei ein Statement gegen das sogenannte „Heizungs-Gesetz“ und nicht etwa gegen die Demokratie.

[Aber:] Viele der Anwesenden sehen die Politik im Gesamten kritisch. [Deshalb auch die Buh-Rufe]

Frau 1: Ich bin selber der Meinung, dass die Regierung weg muss, das ganze Parteiensystem gehört weg!

Frau 2: Wir sind die bürgerliche Mitte und genau das ziehen wir durch!

Frau 3: Wir sind ein kleines Land, das die Welt retten will mit dieser Klimapolitik und das wird nicht funktionieren.

Mann 1: Weil ist einfach alles schnell geht. Dass ist einfach zu krass und wird viele Bürger hart treffen.

Auch Söder spart nicht mit Kritik an der Ampel in Berlin und attackiert im Besonderen die Grünen.

Markus Söder: Gerade die Grünen - und das kann man sagen - treiben die Dinge so weit mit Brachialkur voran: Und zwar nur mit Ideologie, ohne Pragmatismus, ohne Vernunft.

Und deswegen das klare Signal:  Diese Politik der Grünen darf nicht die Mehrheit in Deutschland werden.

Die AfD hatte am Rand der Festwiese eine eigene Kundgebung. Nach eigenen Angaben wurde sie ausgeladen, eine angekündigte Gegendemonstration fand nur in sehr kleinen Rahmen statt.



Hubert Aiwanger - Demo in Erding - Ihr in Berlin habt's wohl den Arsch offen!

https://youtu.be/e4MwQ1tXi4Q?t=575


Und ja, meine Damen und Herren, wir werden nicht zum Vergessen tendieren, wir werden nicht zum Schweigen gebracht werden können, sondern wie werden jeden Tag mehr, weil wir die Mehrheit sind!

Und jetzt der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss … und denen in Berlin sagen: „Ihr habt`s wohl den Arsch offen da oben!“ Meine Damen und Herren!

Wir wollen unsere Demokratie zurückholen. Wir wollen, dass Politik das umsetzt, was der Bürger will in der Mehrheit.

Und der Bürger will in der Mehrheit, dass es Papa und Mama gibt, dass wir Fleisch essen dürfen, dass wir Auto fahren dürfen, dass wir Holz abholzen dürfen, dass wir mal in Urlaub fahren dürfen, dass sich Arbeit wieder lohnt und nicht immer alles einkassiert wird!

Meine Damen und Herren: Wir wollen gesunden Menschenverstand!

Wir wollen, dass endlich wieder auf den Bürger gehört wird. Und nicht, dass man uns in irgendeine linke oder rechte Ecke stellt!  Nein! Hier steht die Mitte der Gesellschaft, die arbeitende Bevölkerung, die fleißigen, ehrlichen, anständigen Leute.

Meine Damen und Herren, wenn diese Berliner Regierung nur einen Funken Anstand hätte, würde sie nicht nur das [Heizungs-]Gesetz zurückziehen, sondern würde auch selber zurücktreten!

Wir haben jetzt noch nicht einmal die Wunden des Corona-Irrsinns geleckt, wir haben noch nicht einmal die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs überwunden, und da treiben die schon wieder die nächste Sau durchs Dorf!

Ich sag euch eines: Dies ist nicht Dummheit, dies ist Absicht. Die wollen dieses Land spalten, die wollen dieses Land an die Wand fahren!    

Und die wollen die bürgerliche Mitte verrückt machen, und nach links und rechts auseinandertreiben, damit sie um so leichter in der Mitte durchregieren können.

Und deswegen eine klare Ansage heute an die Medien: Stellt Euch endlich an die Seite der normalen Bevölkerung! Stellt Euch endlich an die Seite der normalen Bevölkerung, berichtet mehr über den Handwerksmeister, der mit seiner Frau drei Kinder aufgezogen hat, der eine Famlie gegründet hat, der ein Haus gebaut hat. Und nicht über den 17-jährigen Klima-Kleber aus reichem Hause, der gerade vom Bali-Urlaub zurückkommt!   

Der normale Bürger hat wieder Anspruch darauf, im Mittelpunkt der Politik zu stehen. Im Mittelpunkt des Medieninteresses zu stehen: Und nicht, dass sich der Normale sich jeden Tag noch rechtfertig[en muss], dass er überhaupt noch arbeitet – und der Unnormale dem anderen sagt, wo er hinsoll.     

Meine Damen und Herren: Wir stellen heute die Mitte der Gesellschaft. Diese Mitte der Gesellschaft! Diese Mitte der Gesellschaft wird diese Berliner Chaoten vor sich hertreiben und wird denen zeigen, wo der Barthel den Most holt!

Ich danke Euch dafür, dass ihr so zahlreich gekommen seid. Ihr seid dabei, Deutschland zu retten, weil ihr auf dem richtigen Weg seid. Die anderen fahren Deutschland an die Wand!    

 

Danke [an] Euch, Gott beschütze Euch, alles Gute für die Zukunft!



Karikatur Chatbuddy von Ago | Politik Cartoon | TOONPOOL 4.06.2023
https://de.toonpool.com/cartoons/Chatbuddy_426014#img9


Karikatur „Heizdemo in Erding“ von Markus Grolik am 11.06.2023

https://de.toonpool.com/cartoons/Heizdemo%20in%20Erding_426290


Politologin: Aiwanger hat Grenze "definitiv überschritten" | Kontrovers | BR24 - YouTube

 

https://www.youtube.com/watch?v=d4bvS_ZbAMU

Große Kundgebung gegen das Heizungsgesetz, aufgeheizte Stimmung in Erding. Ein Mann steht seitdem im Feuer: Der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger, und zwar vor allem wegen dieser Aussage:

[Hubert Aiwanger]: „Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss und denen in Berlin sagen: Ihr habt voll den Arsch offen da oben!“ ...

Hat er den Bogen überspannt? Seit Tagen hagelt es Kritik. Seine Regierungserklärung heute im Landtag: Kein Wort zu Erding, geschweige denn eine Entschuldigung:

Die Opposition [ist] empört.

 

Katharina Schulze, Grünen-Fraktionschefin im Landtag.: „Kolleginnen und Kollegen! Sind solche Aussagen eines stellvertretenden Ministerpräsidenten würdig und angemessen? Ich finde: „Nein“. Deswegen fordere ich den Herrn Ministerpräsidenten auf, Hubert Aiwanger aus seinem Amt zu entlassen!“

 

Definitiv eine der lebhaftesten Sitzungen im Landtag seit langem.

Wir sprechen jetzt darüber, was dieser Streit für das politische Klima bedeutet.

Im Kontrovers- Interview heute: Die Politikwissenschaftlerin Professor Nicole Deitelhoff vom „Forschungszentrum Gesellschaftlicher Zusammenhalt“, die sich unter anderem mit Konfliktforschung einen Namen gemacht hat.

 

Moderatorin: Frau Deitelhoff, Sie plädieren für mehr Streit in Deutschland. Ist also der streitbare Aiwanger eigentlich ganz in ihrem Sinne?

 

Prof. Nicole Deitelhoff: Nein leider nicht. Also das, was Herr Aiwanger hier als Streitkultur vielleicht verkaufen möchte, ist eigentlich nicht das, was ich mir unter gutem Streit vorstelle. Denn dazu gehört, dass man sich im Grunde genommen an der Sache hart auseinandersetzt, aber die Person - also das Gegenüber- intakt lässt.

Und genau das macht Herr Aiwanger nicht, sondern er geht direkt auf die Person und versucht, sie zu diffamieren und abzuwerten und das ist alles andere als gute Streitkultur.

 

Moderatorin: Er selber sagt, er lasse sich den Mund nicht verbieten und man müsse auch als Politiker die Sprache des Volkes sprechen wie sehen Sie das?

 

Prof. Nicole Deitelhoff: Also ich glaube, man kann die Positionen, die in der Bevölkerung vorhanden sind, selbstverständlich aufnehmen. Man muss dabei aber sich nicht einer solchen Sprache bemächtigen, wie er das getan hat. Das führt nur dazu, dass man den Gegner beschädigt, und letzten Endes auch eine Kultur, die wir in der Demokratie haben, nämlich dass man am Ende von harten Auseinandersetzungen wieder zu Kompromissen kommt, also wieder zueinander findet, verhindert.

 

Moderatorin: Wo ist denn für sie die Grenze des Sagbaren? Wenn ein stellvertretender Ministerpräsident mit seinen Aussagen suggeriert, dass wir nicht in einer Demokratie leben.  Welche Wirkung hat das?

 

Prof. Nicole Deitelhoff: Naja, letzten Endes verlässt er damit eigentlich den Boden des demokratischen Miteinanders. Weil er damit sich eines  rechtspopulistischen Narrativs bedient. dass wir sehr gut beispielsweise von der AfD kennen: Also diese Idee, dass man sich die Demokratie zurückholen müsse, weil sie irgendjemand ja weggenommen hat, gestohlen hat: Das sind normalerweise - wenn man der AfD – zuhört: Die korrupten Eliten und von denen muss man sich eben die Demokratie zurückholen: Und das verlässt - ganz ernsthaft - den Boden gesellschaftlich und demokratisch miteinander da ist für mich die Grenze definitiv überschritten.

 

Moderatorin: Die Grünen und die SPD in Bayern haben die Entlassung beziehungsweise den Rücktritt von Aiwanger gefordert. Aus Ihrer Sicht: Ist das konstruktiv oder destruktiv - im Sinne einer Streitkultur?

 

Prof. Nicole Deitelhoff:  Das ist auch destruktiv. Also, wir leben ja momentan in so einer Phase, wo Rücktrittsforderungen bei kleinsten Entgleisungen immer sofort geäußert werden.

Das halte ich nicht für besonders konstruktiv.

Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Aiwanger sich entschuldigt für seine verbalen Entgleisungen und damit zeigen würde, dass er eben selber auch bemerkt hat, dass er sich außerhalb des Raums demokratischen Diskutierens begeben hat!

Das hätte für mich vollkommen ausgereicht, um eben zu sagen: Damit sind wir wieder im Raum demokratischen Streits und von da können wir weitermachen. Seien Rücktritt zu fordern, halte ich für unverantwortlich.

 

Moderatorin: Aber er denkt offenbar gar nicht daran, sich zu entschuldigen. Wer profitiert denn von diesem Negativbeispiel (aus ihrer Sicht) von Streitkultur.

 

Prof. Nicole Deitelhoff:  Naja, also kurzfristig mag Herr Aiwanger und seine Partei davon profitieren. Aber langfristig bedient er damit im Grunde genommen den rechten Rand und stärkt eigentlich die Position der AfD.

Ich bin nicht ganz sicher,  ob Ihm das bewusst ist oder ob er das anders kalkuliert.

Aber wir haben so viele Studien dazu, die das immer wieder zeigen: Wer versucht, sich an die Rechten anzunähern, stärkt im Grunde genommen deren Lager und nicht die eigene Position

 

Moderatorin: Auf mittlere Sicht: Was erwarten sie an Sprache und Stil von Spitzenpolitikern?

 

Prof. Nicole Deitelhoff:  Ich erwarte, dass sie sich höflich auszudrücken in der Lage sind. Auch im harten Streit kann es natürlich mal dazu kommen, dass  einem etwas herausrutscht,  aber das kann man dann eben auch zurücknehmen.

Aber im Prinzip geht es mir darum, dass wir an der Sache miteinander streiten auch hart miteinander streiten; aber wir sollten danach noch in der Lage sein uns die Hand zu schütteln und miteinander was trinken zu gehen, um es mal so zu sagen.

Das ist der Stil, den wir in der politischen Kommunikation aufrechterhalten müssen, wenn wir an einem demokratischen Gemeinwesen interessiert sind.

 

Moderatorin: Ein schönes Schlusswort, herzlichen Dank für dieses Gespräch.



SÖDER IN ERDING: Rechtspopulismus? "Die waren noch nie auf einer AfD-Veranstaltung!" – Jan Fleischhauer

https://youtu.be/8SP0QyQ7ycg?t=30

Moderatorin: Wo ist denn die Linie zwischen bürgerlichem Protest und ab wann muss man dann sagen, jetzt wird man eben zum Spielball der AfD stellt sich eventuell auch in deren Dienst, in deren Agenda?

Jan Fleischauer: Also alle, die meinen, das sei jetzt Rechtspopulismus gewesen oder gar Rechtsextremismus, waren glaube ich noch nie auf einer AfD-Veranstaltung.

Also, was man da hört, sind wirklich ganz andere Töne: Da geht es um ganz andere Themen, da gibt es nicht ums Heizungsgesetz, da geht es darum, sozusagen Putin in Moskau  anzuflehen, dass er endlich nach Deutschland kommt und uns sozusagen von dieser Regierung befreien soll.

Also die Ampel hier so ein bisschen nervös ist, hat ja jetzt diesen Trick raus: Alles was rechts von der SPD ist, ist im Grunde rechtsextremistisch oder rechtspopulistisch. Ja, [das] kann man versuchen, aber dann definiert man halt mal eben „50% plus“ als rechtspopulistisch und macht das Lager dann mal wirklich, wirklich groß. Dann darf man sich aber am Ende auch nicht wundern, wenn den Leuten, denen man ja die ganze Zeit sagt, dass sie irgendwie Rechtspopulisten oder vielleicht sogar Faschisten sind, dann auch die Hemmung fehlt, zu sagen: Dann machen wir doch gleich bei den Faschisten und Rechtspopulisten unser Kreuz -  und zwar den Echten! 


https://youtu.be/8SP0QyQ7ycg?t=307

Moderator: Ja, der Hubert Aiwanger, der ist ja deftig. also manchmal ist es auch schwer ihn zu verstehen. aber in Bayern versteht man ihn ganz gut. Kann man sehen, Herr Fleischhauer, dass die „Freien Wähler“ im Prinzip so eine Alternative AfD werden?

 

Jan Fleischauer: Also, Herr Aiwanger redet so, dass die Leute in Bayern ihn verstehen, das ist für euch im Preußen – es ist … komisch, wenn ich so rede, weil ich mach ich bin ja aus Hamburg) …  Aber der Mann ist Landwirt und schämt sich nicht bayrisch zu reden:

Und dafür wird er natürlich … ständig gescholten und auch veräppelt von der Süddeutschen Zeitung und im Feuilleton …

Also, wenn man wenn man den Leuten allerdings hier so kommt, dann scharen sie sich erstmal hinter diesen Landwirt, weil sie sagen: Das ist doch einer von uns. Ich habe neulich   mal länger mit ihm zu tun gehabt. Also ich würde jetzt nicht sagen, dass ich jedes Wort von ihm unterschreibe, aber der Mann traut sich was.

Also, ihm  ist es erstmal egal ob das Feuilleton der Süddeutschen ihn lobt oder nicht, oder ob sie ihn verspotten. ja und das ist für einen Politiker schon mal eine ganze Menge: Aber die  die meisten recken sich danach, dass sie ihnen am Kränze geflochten werden … von der liberalen und linken Presse.

Das ist bei Aiwanger nicht so. Allerdings, wenn man hinschaut: Also, was auf was Herr Höcke … oder auch mal Herr Chrupalla von der AfD von sich geben und was Herr Aiwanger von sich gibt: Da liegen Welten [dazwischen].

Ich meine, das was Herr Aiwanger sagt ist: Also, wenn jemand beschließt, das er kein Steak auf dem Grill haben möchte und nicht mehr fliegen möchte und auf das Auto aufgeben soll will, dann soll er das tun. Aber er soll nicht allen anderen das auch noch aufoktroyieren.

 

Das ist eine Position, die ist doch relativ vernünftig. Jedenfalls kann man sie haben ohne Verfassungsfeind zu sein.