Sozistunde 12064c - Genderwahn?

Welche Formen des Genderns gibt es?

(Quelle: Quarks.de)

1.1. Beidnennung:  Beide Geschlechter werden genannt (z. B. Lehrerinnen und Lehrer) oder 1.2. Femnisierung, d. h. die weibliche Form wird durch Abkürzung bzw. Anhang hinzugefügt (Lehrer/-innen; LehrerInnen).

 

2. Neutralisierung: Die männliche Form wird durch geschlechterneutrale Formen (z. B. Lehrkraft) oder Substantivierung (z. B. Lehrende, Studierende) ersetzt. 

 

3. Gender-Zeichen: Für die mehrgeschlechtliche Schreibweise wird zwischen männlicher Form und weiblicher Endung ein Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt ergänzt (z. B. Lehrer*innen, Lehrer_innen, Lehrer:innen). Die Sonderzeichen sind Platzhalter für alle, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen.

Vgl. folgende Quelle: Gendern: Pro und Contra - Die Debatte im Überblick (lpb-bw.de)

 

https://www.lpb-bw.de/gendern-


Was bringt Gendern wirklich? | Quarks TabulaRasa – YouTube

https://www.youtube.com/watch?v=to9lbR8JvyM


Erzieher verdienen in Kitas ab sofort 150 Euro mehr. Welches Bild hast du im Kopf?

Die meisten stellen sich vor allem die […] Gruppe männlicher Erzieher vor. Dabei sind 98% der Erziehungskräfte Frauen. Der Vorwurf ist also: Unsere Sprache erzeugt die falschen Bilder im Kopf - männliche Bilder. Und das Problem soll sie jetzt lösen: Gendergerechte Sprache. Die Debatte, ob wir gendern sollen - und wenn ja wie, ist oft exklusiv. Bei den ganzen Gestreite geht aber eine Frage oft irgendwie unter: Was bringt Gendern wirklich? Kann es helfen Gleichberechtigung zu schaffen oder kann Gendern diesem Ziel sogar schaden?

Wir machen Tabularasa: Was die Forschung weiß - Kapitel 1:

Unsere Sprache hat ein Problem: … Das generische Maskulinum: „Die Erzieher“ ist eine grammatisch [richtige] männliche Bezeichnung für alle: Frauen, Männer Geschlecht unbekannt. Mit dem biologischen Geschlecht aber hat sie - laut Definition - nichts zu tun. Ist doch super - ein Wort für alle! Und das hat doch eigentlich schon immer funktioniert! Naja?

Ob männliche Formen in der deutschen Sprache immer schon diese Doppelfunktion hatten, ist empirisch schwer zu belegen. Das Problem stellte sich oft einfach nicht, weil vor allem Männer bestimmte Rollen innehatten. Die männliche Variante konnte also niemanden ausschließen. Was man aber aus der Analyse alter Texte weiß: Schon früher – etwa im Mittelalter - gab es Phasen, in denen beide Geschlechter auf Schriftstücken explizit erwähnt wurden: Zum Beispiel Koufeler und Koufelerin für Händler und Händlerinnen.

 

Und auch damals gab es schon Diskussionen darüber, ob die männliche Form auch für die weibliche stehen kann.  

Das Ding mit dem generischen Maskulinum ist jetzt aber: Per Definition mag es für alle gelten, und es mag sein, dass ich davon auch Frauen angesprochen fühlen. Aber jetzt kommt der Knackpunkt: Die meisten stellen sich unter Physiker, Sänger oder Erzieher eben doch Männer vor.

So, Konzentration, wir machen ein Experiment. Lest aufmerksam mit:

- [1. Satz:] Die Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof.

- [2. Satz:] Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Frauen keine Jacke

- Ist der zweite Satz für dich eine sinnvolle Fortsetzung des ersten? Ja oder nein?

Das Setting stammt aus einer Studie. Gemessen wurde die Zeit bis die Leute ja drücken.

Über solche Reaktionszeitmessungen versucht man herauszufinden, welche Bilder die Sprache erzeugt. Und es zeigte sich: Die Reaktionszeit war immer dann länger wenn im zweiten Satz Frauen vorkamen. Die weiblichen Sätze irritieren uns irgendwie.

Das generische Maskulinum scheint eher Bilder von Männern bei uns zu erzeugen. Viele andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Es zeigt sich aber auch: Das Wort Physiker ruft eher männliche Bilder hervor als das Wort Kosmetiker. Halt, Stopp! Dann ist ja nicht unsere Sprache das Problem sondern unser Rollenbild! Aber, ud auch das zeigen Studien: Selbst bei einem typisch weiblich besetzten Beruf wie Kosmetiker denken wir eher an Männer. Okay - halten wir mal fest: [Zahlreiche Experimente zeigen:] Das generische Maskulinum steht nicht für alle. Es ist eine Schablone, die unseren Blick auf die Welt formt; Und diese Schablone passt vor allem auf die Männer. [Frauen sind mit dem generischen Maskulinum zwar mitgemeint, sind aber oft nicht mitgedacht].  Damit ist sie aber falsch, denn sie stellt die Welt anders dar, als sie heute ist. 

Was die Forschung weiß - Kapitel 2 - Klare Argumente für Gendern

Was das generische Maskulinum nicht schafft, soll ja Gendern lösen; die Schablone im Kopf also erweitern.

Mal kurz die Basics: Es gibt nicht die eine Art zu gendern: 

1. Die Beidnennung oder die Feminisierung

1.1. Beidnennung: Wir können beide Geschlechter benennen („Lehrerinnen und Lehrer“) oder

1.2. Feminsierung:     

2. Wir können neutral formulieren: Lehrerinnen und Lehrern werden zu Leuten die unterrichten oder zu Lehrkräften.

Das kann aber mitunter zu skurrilen Formen führen; Aus Grafikern wird Grafikprofi, aus Politiker [wird] ein Mensch in der Politik. 

3. Oft kennt unsere Sprache aber eben nur eine männliche oder weibliche Form. Alles dazwischen nicht abgebildet: Deshalb kommen noch diese Form ins Spiel [nämlich Gender-Zeichen]: Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt: Sie sind ein Platzhalter für alle, die sich weder dem weiblichen Luft dem männlichen Geschlecht zuordnen.

Aber sie - diese Formen- sind bislang kaum untersucht, über ihre Effekte können wir in diesem Video also leider nichts sagen.

Relativ viel Forschung gibt es aber zu den anderen Formen der Gendersprache (Beidnennung bzw. Feminsierung. Das Ergebnis ist hier relativ klar: Frauen werden gedanklich mehr einbezogen, wenn [neutral oder feminisiert] gegendert wird.

Am stärksten sind die Effekte, wenn wir beide Geschlechter nennen (also feminisieren). Frauen werden durch Gendern also sichtbarer. Punkt.

Und das kann sehr konkrete Effekte haben: Sind Stellenanzeigen nicht im generischen Maskulinum verfasst, bewerben sich mehr Frauen auf den Job: Männlich formulierte Stellenanzeigen führen dagegen dazu, dass Frauen bei gleicher Qualifizierung den Job seltener bekommen. Werden beide Geschlechter genannt, ändert sich das.

Es macht also einen Unterschied, ob dort steht: „Wir suchen einen Geschäftsführer“,  oder „einen Geschäftsführer (m/w)“ oder „einen Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin“.

Welchen Job wir uns zutrauen, kann also von der Sprache beeinflusst werden, das zeigen auch Experimente mit Kindern:

Wird gegendert, trauen sich Mädchen viel eher, zu stereotype Männerberufe zu ergreifen. [Sie sagen häufiger: „Ich will Ingenieurin werden“].


vgl.: Gendern - Wahn oder Wissenschaft? Leschs Kosmos [Ganze TV-Folge] | Harald Lesch

https://www.youtube.com/watch?v=LkWp4mrpg1s 2:35 Verändert Gendern wie wir denken?


Und auch Jungs wählen häufiger stereotype Frauenbüro (und wollen Tänzer werden).

Und jetzt kommt es: Wenn Kindern die männliche und weibliche Form („Ingenieur und Ingenieurin“= präsentiert wurde, haben sie diese Berufe als weniger wichtig und die Bezahlung als schlechter eingeschätzt (als wenn ihnen nur die männliche Form „Ingenieur“ präsentiert wird).

Gendern könnte Frauen im beruflichen Kontext also sichtbarer machen, die Berufe aber dadurch gleichzeitig abwerten. Moment? Abwerten?  Das könnte man jetzt als Argument gegen Gendern auffassen. Wir finden aber, das macht das Grundproblem aber so richtig deutlich: Wenn Frauen selbst von Kindern (vielleicht unterbewusst) als minderwertiger angesehen werden, ist eine Veränderung vielleicht wirklich bitter nötig.

Gendern könnte hier helfen.

Es gibt aber auch Argumente aus der Wissenschaft, die eben nicht das Geschlecht zu betonen,  sondern einfach neutraler zu gendern.

[Das sind Argumente, die für eine neutralisierte Form des Genderns sprechen]:     

In Ländern, in denen nicht jedem Wort ein Geschlecht zugeordnet wird, sind Frauen häufiger erwerbstätig, mehr unternehmerisch tätig und es gibt mehr Frauen die sich politisch beteiligen.

Klar: Sprache ist hier natürlich nicht der einzige Grund, das wurde in den Studien aber auch berücksichtigt. Trotzdem war das Ergebnis: Solche Sprachen, die automatisch neutraler sind, könnten dafür sorgen, dass wir offener über Geschlechterrollen denken.

Die Wirkung von neutralen Formen zeigt auch ein Beispiel aus Schweden. Dort wurde 2015 das geschlechtsneutrale Pronomen „hen“ eingeführt. Menschen, die es in einer Studie zum Beschreiben von Leuten nutzen sollten, waren danach positiver gegenüber Frauen in der Politik und der LBGT-Community eingestellt.

 



Gendern: Pro und Contra - Die Debatte im Überblick (lpb-bw.de)



Exkurs: Die deutsche Sprachwissenschaftlerin Gabriele Diewald ist Professorin für deutsche Sprache der Gegenwart. Sie sagt: „Das sogenannte generische Maskulinum ist keine grammatische Regel des Deutschen. Es handelt sich um eine Gebrauchsgewohnheit bestimmter Maskulinformen zur Personenreferenz, die auf alten patriarchalischen Haltungen aufsetzt und eindeutig diskriminierend ist. Allen, die diese Praxis in ihrem Sprachgebrauch nicht fortsetzen möchten, ist anzuraten, das sogenannte generische Maskulinum, zu vermeiden.

Quelle: Das „generische Maskulinum“: Sprache und Geschlecht (sprache-und-gendern.de)

https://www.sprache-und-gendern.de/beitraege/das-generische-maskulinum

 

 


Faktensheck: Gibt es eine gesetzlich „von oben“ verordnete Gender-Pflicht?

Auf Landes- und Bundesebene existieren (Stand September 2023) keine Gesetze zu einer Gender-Pflicht. 

Auch für die offiziellen Rechtschreibregeln gibt es keine Gender-Reform:  

 

[Grundlage der deutschen Rechtschreibung ist das aus einem Regelteil und einem Wörterverzeichnis bestehende „amtliche Regelwerk“. Es wird vom Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegeben. Das Amtliche Regelwerk gilt für Schulen sowie für Verwaltung und Justiz.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat (in einer Sitzung am 26. März 2021) die Aufnahme des „Gender-Sterns“, oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen.

Der Rat ist zwar der Auffassung, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll. Dies sei allerdings eine gesellschaftliche und politische Aufgabe, die nicht (allein) mit einer Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann.]

 

Immer mehr Unternehmen, Medien, Hochschulen, Kommunen und Behörden erlassen allerdings eigene Leitfäden und Richtlinien zur geschlechtergerechten Sprache.

Einige Stadtverwaltungen wie Berlin, München oder Hannover haben die sprachliche Gleichbehandlung sogar als Pflicht für den amtlichen Sprachgebrauch festgelegt 

Quellen:

1. Gendern: Pro und Contra - Die Debatte im Überblick (lpb-bw.de)

https://www.lpb-bw.de/gendern#:~:text=Auf%20Landes%2D%20und%20Bundesebene%20existieren,offiziellen%20Rechtschreibregeln%20keine%20Gender%2DReform.

2. Gesetze und amtliche Regelungen zur geschlechtergerechten Sprache – Wikipedia

https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetze_und_amtliche_Regelungen_zur_geschlechtergerechten_Sprache

 

Zwischenfazit

Es gibt es keine Gesetze des Bundestags oder von Landtagen, die die Menschen zur „gendergerechten Sprache“ zwingen. Der Gesetzgeber (die Legislative) hat bis heute   keine Gender-Pflicht erlassen. Und so hat jede einzelne Privatperson zunächst einmal das Recht, nicht zu gendern. Dies gilt auch für Medien, Unternehmen und Universitäten: Sie müssen sich an die Gesetze halten, sie können aber auch ihre eigene Regeln (zum Gendern) entwerfen, müssen es aber nicht. 

 

Dennoch kann es zu Konflikten kommen:

Fallbeispiel: Viele Universitäten werten Arbeiten ab, wenn sie nicht «geschlechtersensibel» formuliert sind. […]. Ein Student der Uni Kassel hat sogar deswegen geklagt.

Lukas Honemann, Lehramtsstudent und Vorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten in Kassel, beschwerte sich öffentlich: Er habe im ersten Semester eine schlechtere Bewertung bekommen, weil er nicht gegendert habe.

Die Universität Kassel gab daraufhin ein Rechtsgutachten in Auftrag, das zu dem Ergebnis kam, geschlechtergerechte Sprache dürfe nur in bestimmten Prüfungen verlangt werden. Eine Punktabzug wegen nicht-gendergerchter Sprache ist im Grunde nur zu rechtfertigen, wenn das Thema „gendergerechte Sprache“ zum Lehrstoff gehört. Unis dürfen also Studenten nicht zum „Gendern“ zwingen.

Vgl.: Warum Unis Studenten nicht zum Gendern zwingen dürfen (nzz.ch)

https://www.nzz.ch/international/warum-unis-studenten-nicht-zum-gendern-zwingen-duerfen-ld.1692319; Das Rechtsgutachten finet sich unter: https://www.uni-kassel.de/uni/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=13079&token=3fde7f66864c43782bdc1734555176f75458e584

 

Interessant in diesem Kontext ist ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. vom Juni 2022: Eine nicht-binäre Person hatte gegen die binären Anreden „Herr“ und „Frau“ der Deutschen Bahn geklagt. Das Gericht entschied, dass die Bahn die Anreden durch weitere Ansprachen für Menschen mit dem Geschlechtsmerkmal „divers“ ergänzen muss.

Vgl.: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.06.2022 - 9 U 92/20 - openJur

https://openjur.de/u/2434757.html

 

FAZIT: Es gibt (Stand 2023) keine vom Gesetzgeber (also der Legislatitve) erlassene Gender-Pflicht. Jede Einzelperson kann gendern – oder es bleiben lassen. Jede Zeitung kann sich Genderregeln geben – oder es bleiben lassen.

Wer sich durch gendergerechte Formulare von Stadtverwaltungen (die Teil der Exekutive sind) stört, kann sich im Streitfall an die Gerichte (also die Judikative) wenden.