Sozistunde 12070a - Frühere Parteiverbote und die heutige Rechtslage

Parteiverbot der AfD? – Die rechtliche Lage

Quelle: Seite „AfD-Höhenflug: Hilft jetzt nur noch ein Parteiverbot? - DER SPIEGEL“

Am 19.11.22 abgerufen unter der folgenden URL:

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-hoehenflug-hilft-jetzt-nur-noch-ein-parteiverbot-a-cc651f72-fead-4d82-87ba-80af198df0f1?context=issue


In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurden bislang zwei Parteien verboten. 1952 die Sozialistische Reichspartei (SRP), die sich in der Tradition der NSDAP sah. Vier Jahre später die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

Ein von der Bundesregierung, dem Bundestag und dem Bundesrat beantragtes Verbotsverfahren gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) dagegen scheiterte 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Partei war durchsetzt von V-Leuten des Verfassungsschutzes, das Gericht sah damit die Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren als nicht gegeben an.

 

Auch ein zweites Verbotsverfahren blieb erfolglos. Im Januar 2017 entschieden die Verfassungsrichter in Karlsruhe zwar, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele vertrete, die auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet seien. Allerdings fehlten dem Gericht konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die verfassungsfeindlichen Bestrebungen auch – aus Sicht der NPD – zu einem Erfolg führen könnten. Die Partei war bereits zu unbedeutend.

In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurden bislang zwei Parteien verboten. 1952 die Sozialistische Reichspartei (SRP), die sich in der Tradition der NSDAP sah. Vier Jahre später die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

Ein von der Bundesregierung, dem Bundestag und dem Bundesrat beantragtes Verbotsverfahren gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) dagegen scheiterte 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Partei war durchsetzt von V-Leuten des Verfassungsschutzes, das Gericht sah damit die Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren als nicht gegeben an.

Auch ein zweites Verbotsverfahren blieb erfolglos. Im Januar 2017 entschieden die Verfassungsrichter in Karlsruhe zwar, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele vertrete, die auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet seien. Allerdings fehlten dem Gericht konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die verfassungsfeindlichen Bestrebungen auch – aus Sicht der NPD – zu einem Erfolg führen könnten. Die Partei war bereits zu unbedeutend.

Das zweimalige Scheitern, eine völkische Partei aus der deutschen Gesellschaft zu verbannen, wirkt bis heute nach. Die Angst, erneut erfolglos zu bleiben, ist groß. Wie schwierig es ist, einer Partei gerichtsfest Extremismus nachzuweisen, weiß auch Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz.

Schon als er vor fast drei Jahren die AfD als »Verdachtsfall« beobachten lassen wollte, stieß er auf Widerstände – beim damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Ein erstes, mehr als 800 Seiten dickes Gutachten des Verfassungsschutzes überzeugte dessen Ministerium [zunächst] nicht. […] Als [später dann] ein 1001 Seiten lange[s] überarbeitete[s] Gutachten aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz […] vorlag, stimmte Seehofer zu. Der Weg für die Beobachtung war frei.

Seit 2021 behandelt das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD nun als rechtsextremen »Verdachtsfall«. Das Gerichtsverfahren zur Klärung, ob das Amt dies überhaupt darf, zieht sich bereits seit zweieinhalb Jahren hin. Aktuell liegt der Fall beim Oberverwaltungsgericht Münster, gut 10.000 Seiten Akten lagern dort. Dazu kommen Hunderte Ordner mit weiterem Material, sie füllen einen ganzen Raum im Gericht. Eine Entscheidung wird für Ende Februar 2024 erwartet.

[…] Sollte das Oberverwaltungsgericht Münster im kommenden Jahr die Klage der AfD abweisen, deutet einiges darauf hin, dass der Verfassungsschutz die gesamte AfD in einem nächsten Schritt bundesweit als »gesichert extremistisch« einstufen könnte. Sie gälte dann als durchgehend rechtsextremistische Partei, die gängigen Merkmale erfüllt sie schon jetzt.

[…] Doch für ein Verbot würde diese Bewertung allein nicht ausreichen. Man müsste der Partei nachweisen, dass sie »planvoll« auf die Beseitigung der demokratischen Grundordnung hinarbeite. So hat es das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur NPD formuliert.

Im Juni wurde ein 72-seitiges Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin veröffentlicht. Darin hält das Institut, das vom Deutschen Bundestag finanziert wird, fest, dass die »materiell-rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot der AfD« vorlägen. Etwa weil die AfD konsequent Grundrechte missachte. Sie gehe dabei »planvoll« vor, »um ihr Ziel der Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu erreichen«.

Unter Juristen ist die Frage, ob die Voraussetzungen für ein Verbot erfüllt sind, allerdings umstritten. Die Meinungsverschiedenheiten gehen tief in die Details.

 

So hält die Düsseldorfer Parteienrechtlerin Sophie Schönberger das Gutachten des Instituts für Menschenrechte für »nicht in allen Punkten verfassungsrechtlich wasserfest«. Die Anforderungen, die Karlsruhe an ein Parteienverbot stelle, würden unterschätzt.

Manche Verfassungsjuristen meinen, dass diese Hürde zuletzt gesenkt worden sei. »Wenn ich es richtig sehe, spielt das Aggressiv-Kämpferische keine Rolle mehr«, sagt der Berliner Universitätsprofessor Christoph Möllers, einst Bevollmächtigter des Bundesrates im zweiten NPD-Verbotsverfahren. Stattdessen gehe es darum, »dass es einen politischen Plan gibt, wie die verfassungsfeindliche Gesinnung durchzusetzen ist«. Die Partei müsse also handeln, »das tut sie in aller Regel aber, weil sie sonst keine Partei wäre«.

 Der Bonner Staatsrechtler Udo Di Fabio, Richter im ersten NPD-Verbotsverfahren, widerspricht: Eine Partei brauche zwar »keine 500.000 Mann SA auf der Straße«, damit man sie verbieten könne. Ganz ohne den Nachweis einer aggressiv-kämpferischen Haltung gehe es aber nach wie vor nicht. Allerdings sieht Di Fabio bei der AfD dafür Ansatzpunkte. Schließlich sei auch Hass ein Indiz für eine aggressiv-kämpferische Haltung. Und gehasst wird reichlich in der AfD.

Parteienrechtlerin Schönberger wäre dennoch pessimistisch. »Von dem, was ich an öffentlich zugänglichem Material sehe, weiß ich nicht, ob das reicht, um die Partei bundesweit zu verbieten.« Selbst wenn der Antrag in Deutschland erfolgreich sei, könnte sich die AfD an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wenden. Sie sei »sehr, sehr skeptisch«, dass ein AfD-Verbot »vor den europäischen Richterinnen und Richtern Bestand haben würde«, sagt Schönberger.

Der Berliner Rechtswissenschaftler Christian Waldhoff, ebenfalls Bevollmächtigter des Bundesrats im zweiten NPD-Verbotsverfahren, erinnert an die Unterschiede zwischen AfD und NPD. Bei der AfD stehe im Gegensatz zur NPD fast nichts im Parteiprogramm, was für ein Verbot relevant wäre. Zudem seien bei der NPD 40 Prozent der Funktionäre straffällig gewesen, was aus seiner Sicht ein starkes Argument gewesen sei. »Da kommt man bei der AfD nicht ran«, sagt Waldhoff.

Die Juristen sehen vor allem ein Dilemma darin, den richtigen Zeitpunkt für ein mögliches Verbot zu finden. »Entweder ist die Partei zu klein, um rechtlich belangt zu werden, oder zu groß für die politische Entscheidung, gegen sie ein Verfahren anzustrengen«, sagt Rechtswissenschaftler Möllers. Zudem müsste ein solcher Schritt, gerade angesichts der Wahlerfolge der AfD, der Öffentlichkeit »gut erklärt werden, damit er nicht als komplett undemokratischer Akt wahrgenommen wird«. Ähnlich sieht es Andreas Voßkuhle, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Unter seinem Vorsitz hatte das Gericht den zweiten NPD-Verbotsantrag abgelehnt.

[…] Es wirkt kurios: Je erfolgreicher die AfD wird, desto mehr bewahrt sie sich selbst vor einem Verbot. Je normaler sie auf Menschen wirkt, desto geringer wird der gesellschaftliche Druck, gegen sie hart vorzugehen. Die derzeitige gesellschaftliche Stimmung kommt ihr entgegen, man kann es aus bestimmten Zahlen lesen.

In den vergangenen Jahren ist der Anteil derer gesunken, die der Meinung sind, dass es zu viele Rechtsextreme in der AfD gebe. Im Herbst 2017 fanden das noch 85 Prozent der Befragten, im Sommer 2023 waren es lediglich 69 Prozent. Ebenso ist die Zahl an Menschen gesunken, die angeben, die Partei niemals wählen zu wollen. Waren es vor zwei Jahren knapp 70 Prozent, sind es nun 56 Prozent. Deutschland hat sich an seine AfD offenbar gewöhnt, ein Verbot würde viele irritieren.

  

Das Bundesverfassungsgericht ließ vor fünf Jahren den Verbotsantrag für die NPD zwar platzen, zeigte dem Gesetzgeber aber eine Alternative auf, die Macht der Rechtsextremen einzudämmen. Der Bundestag änderte dafür das Grundgesetz, jetzt kann einer verfassungsfeindlichen Partei zunächst die staatliche Finanzierung entzogen werden. Derzeit läuft ein entsprechendes Verfahren gegen die NPD beim Bundesverfassungsgericht, ein Urteil wird in Kürze erwartet. Es könnte eine Blaupause für den Umgang mit der AfD werden.

Wegfall der Finanzierung wäre »Todesstoß«

Sophie Schönberger, die Parteienrechtlerin aus Düsseldorf, kann der Idee etwas Grundsätzliches abgewinnen. Die Staatsfinanzierung zu entziehen hätte den Vorteil, »den ganz großen Einschnitt für die Wählerinnen und Wähler zu vermeiden, also wenigstens deren Stimme nicht aus dem System zu eliminieren«. […]

Die Staatsrechtlerin und frühere Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff hat kürzlich noch eine andere Idee eingebracht. Sie schlägt vor, gewissen Protagonisten aus dem rechtsextremen Spektrum der AfD eine Art Betätigungsverbot aufzuerlegen. Grundlage dafür ist Artikel 18 des Grundgesetzes. Wer die Freiheit der Meinungsäußerung »zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht«, heißt es da, der »verwirkt« danach die damit verbundenen Grundrechte – etwa die Pressefreiheit, die Versammlungsfreiheit und auch die Lehrfreiheit.

Diesen Antrag müssten Bundestag, Bundesregierung oder eine Landesregierung stellen, entscheiden würde auch darüber das Bundesverfassungsgericht. Auch wenn Lübbe-Wolff den Namen Höcke nicht erwähnt, ist klar, dass sie vor allem ihn im Blick hat, wenn sie davon spricht, die Grundrechte »nur derjenigen Akteure erheblich zu beschneiden, denen tatsächlich ein relevanter Missbrauch vorgeworfen werden kann«.

 

Klingt nach einer praktikablen Lösung, allerdings kam der Verfassungsartikel in der Geschichte der Bundesrepublik erst viermal zur Anwendung – kein einziges Mal mit Erfolg.


Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 21 

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze

 


Das SRP-Verbot von 1953

Die Sozialistische Reichspartei (SRP), seltener Sozialistische Reichspartei Deutschlands (SRPD), war eine nationalsozialistisch ausgerichtete politische Partei in der Bundesrepublik Deutschland, die sich selbst in der Tradition der NSDAP sah. Verankert war die Partei vor allem in Nordwestdeutschland.

Die SRP war 1952 die erste politische Partei, die in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen eines  Parteivebots-Verfahrens durch das Bundesverfassungsgericht verboten wurde. 1956 folgte mit dem KPD-Verbot das zweite und bislang letzte Parteiverbot der Bundesrepublik.

Am 19. November 1951 beantragte die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der SRP. Die Partei wurde am 23. Oktober 1952 schließlich wegen ihrer offenen Bezugnahme auf die NSDAP verboten.

Im Einzelnen stellte das Gericht fest:

- Die Sozialistische Reichspartei ist verfassungswidrig.

- Die Sozialistische Reichspartei wird aufgelöst.

- Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Sozialistische Reichspartei zu schaffen.

- Mit diesem Urteil wurden gleichzeitig sämtliche Mandate ersatzlos gestrichen. Die Auflösung der Partei und die Einziehung aller parteilichen Vermögen wurde angeordnet und gleichzeitig die Bildung von Ersatzorganisationen untersagt.

Mit diesem Urteil zog das Bundesverfassungsgericht einen Schlussstrich unter das knapp dreijährige Wirken der SRP.

vgl. hierzu die folgende Quelle: Seite „Sozialistische Reichspartei“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 2. August 2023, 06:01 UTC.

URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sozialistische_Reichspartei&oldid=236034034 (Abgerufen: 19. November 2023, 16:36 UTC


Das SRP-Verbotsverfahren von 1952 war für die weitere Entwicklung in zweierlei Hinsicht wichtig: Zum einen wurden erstmals die Folgen eines Parteiverbots aufgezeigt:
1. Auflösung der Partei und ihrer Unterorganisationen

2. Verbot von Ersatzorganisationen

3. Streichung der Mandate

4. Einziehung des Parteivermögens.      

 Zum anderen wurde im Rahmen der Urteilsbegründung der Begriff „freiheitilich demokratische Grundordnung“ erstmals genauer definiert. 


Freiheitliche demokratische Grundordnung

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem SRP-Verbotsurteil von 1952 den Begriff erstmals definiert und diese Defintion in einem Urteil zum KPD-Vebot dann noch einmal bestätigt: Zur fdGO gehören nach dem BVerfG mindestens grundlegende Prinzipien wie:

Achtung von Grund- und Menschenrechten, Volkssouveränität, Gewaltenteilung Rechtsstaatlichkeit (Verantwortlichkeit und Gesetzesbindung der Exekutive, Unabhängigkeit der Gerichte)  und Pluralismus (Mehrparteiensystem sowie Chancengleichheit der politischen Parteien.)

Vgl:: Freiheitliche demokratische Grundordnung | bpb.de

https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/handwoerterbuch-politisches-system/202025/freiheitliche-demokratische-grundordnung/


Das KPD-Verbot von 1956

Die KPD war die zweite Partei, die in der Bundesrepublik Deutschland verboten wurde. Das KPD-Verbot ist nie aufgehoben worden. Die Gründung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) im Jahr 1968 wurde geduldet.

Vgl. hierzu folgende Quelle: Bundesarchiv Internet - Verbot der KPD

https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Dokumente-zur-Zeitgeschichte/1956-08-18_verbot_kdp.html

 

Das Verfassungsgericht hatte im KPD-Verbotsverfahren das Tatbestandsmerkmal des „Darauf-Ausgehens“ (Artikel 21 Abs. 2 GG) näher bestimmt bestimmt: Das Parteienverbot soll gerade kein Gesinnungsverbot darstellen. Daher genüge es nicht, wenn die in Rede stehende Partei die freiheitlich- demokratiestaatliche Ordnung nicht anerkennt oder sie ablehnt. Erforderlich sei „vielmehr eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung“. Die Partei müsse „planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen, im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst beseitigen wollen“. (BVerfGE 5, 85 (141) – KPD-Verbot.)

Vgl.: Jann-Heinrich Müller und Patrick Nölscher NPD – Verfassungsfeindlich, aber nicht verfassungswidrig?!

 

https://www.uni-goettingen.de/de/document/download/ca1fefa7ab9a2870e1d35fe82a3d2865.pdf/2017%20-%20M%C3%BCller,%20N%C3%B6lscher%20-%20Z%C3%B6R%202017.pdf


Erstes NPD-Verbotsverfahren (2001–2003)

Am 30. Januar 2001 wurde von der Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder ein Antrag beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit dem Ziel eingereicht, die Verfassungswidrigkeit der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) feststellen zu lassen und damit ein Verbot dieser Partei zu erreichen. Am 30. März 2001 folgten Bundestag und Bundesrat mit eigenen Verbotsanträgen.

Die Verfahren wurden vom Bundesverfassungsgericht am 18. März 2003 aus Verfahrensgründen eingestellt, weil V-Leute des Verfassungsschutzes auch in der Führungsebene der Partei tätig waren. Die Frage, ob es sich bei der NPD um eine verfassungswidrige Partei handelt, wurde nicht geprüft.

Das Verbotsverfahren wurde zum Skandal, als der Verdacht aufkam, dass der nordrhein-westfälische Landesverband der NPD durch V-Personen des Verfassungsschutzes gesteuert wurde.

Quelle: Seite „NPD-Verbotsverfahren (2001–2003)“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 27. Juni 2023, 15:02 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=NPD-Verbotsverfahren_(2001%E2%80%932003)&oldid=234984600 (Abgerufen: 19. November 2023, 17:23 UTC)


Videotipps:

 

NPD-Verbot gescheitert: Bundesverfassungsgericht verbietet NPD nicht | DER SPIEGEL https://www.youtube.com/watch?v=Y1RZ2KDp_m0


 

 

 NPD-Verbotsverfahren (2013–2017)

Infolge des Bekanntwerdens des Täterumfelds der Gewalttaten und Morde der rechtsextremen Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) kam es 2012 zu Bestrebungen, ein zweites NPD-Verbotsverfahren in Gang zu setzen. Verknüpfungen zwischen dem NSU und der NPD wurden in der Öffentlichkeit diskutiert.

Im Dezember 2012 beschlossen die deutschen Länder [also] der Bundesrat, einen Antrag auf das Verbot der NPD zu stellen und diesen im Zweifelsfall auch ohne Unterstützung von Bundestag und Bundesregierung vorzubringen. An dem im darauffolgenden Jahr eingereichten Verbotsantrag beteiligte sich die Bundesregierung nicht. Im Januar 2017 wies das Bundesverfassungsgericht den Verbotsantrag ab. Zwar sahen es die Richter als erwiesen an, dass die Partei eine verfassungsfeindliche Gesinnung habe, sie habe aber nicht das „Potenzial“, die Demokratie in Deutschland zu beseitigen.

[Im BVG-Urteil zum KPD-Verbot von 1957 war das Bundesverfassungsgericht noch der Meinung, dass es für ein Partieverbot nicht nötig sei, dass von der in Frage stehenden Partei eine konkrete Gefahr für die Beseitigung der Demokratie asugehe.

Das Gericht beurteilte die NPD zwar inhaltlich als verfassungsfeindlich, angesichts ihrer Bedeutungslosigkeit im politischen Geschehen sei aber nach Auffassung des Gerichts kein Verbot der Partei gerechtfertigt.

In der Urteilsbegründung wurde die Verfassungsfeindlichkeit der NPD näher: Die Partei verwende einen rassisch definierten Volksbegriff; nach welchem Nichtweiße keine Deutschen werden können. Ihr darauf aufbauendes Politikkonzept weise daher „Elemente der Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus“ auf.

Die Forderungen nach einer Volksabstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe und der  Auszahlung von Sozialleistungen nur an Deutsche seinen  Belege für die Verfassungsfeindlichkeit der Partei. Des Weiteren befand das Gericht, dass die Verfassungsfeindlichkeit der Partei auch dadurch zur Geltung komme, dass sie in Deutschland lebende Moslems diskriminiere, antijüdische Feindbilder pflege und sich gegen das öffentliche Zeigen von Homosexualität wendet.

 

In seiner Urteilsverkündung zum Verbotsverfahren vom Januar 2017 gab das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber den Hinweis, dass er jederzeit ein Gesetz verabschieden könne, das einer als verfassungsfeindlich eingestuften Partei die Parteienfinanzierung entzieht; in der schriftlichen Urteilsbegründung hieß es dazu: eineSanktionierung unterhalb der Schwelle des Parteiverbots … ist dem … Gesetzgeber vorbehalten.“)

 

Der Bundestag änderte im Juni 2017 das Parteien- und das Bundesverfassungsgerichtsgesetz sowie das Steuerrecht und schuf einen neuen Art. 21 Abs. 3 GG, sodass Parteien, welche vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsfeindlich eingestuft werden, von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden können. Dies würde auch bedeuten, dass Spenden an diese Parteien nicht mehr steuerlich abgesetzt werden könnten und dass die steuerlichen Privilegien für die Parteien entfallen würden.

Im Juli 2019 stellten Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung bei Bundesverfassungsgericht einen entsprechenden Antrag, da die NPD weiterhin das Ziel verfolge, die FGO beseitigen.

Die Verhandlung hat im Juni 2023 begonnen und wird einige Monate dauern. Die Verhandlung wurde bisher von der NPD (die seit Juni 2023 den Namen „Die Heimat“ trägt boykottiert.

Videotipp: Parteienfinanzierung: NPD boykottiert Verhandlung in Karlsruhe | tagesschau.de 

https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/npd-verfahren-108.html


Die AfD und der Verfassungsschutz  

=> Seit 2021 behandelt das Bundesamt für Verfassungsschutz die Gesamtpartei AfD als rechtsextremen »Verdachtsfall«. Das Gerichtsverfahren zur Klärung, ob das Amt dies überhaupt darf, zieht sich bereits seit zweieinhalb Jahren hin.

=> Der Thüringer Verfassungsschutz stuft den dortigen AfD-Landesverband unter seinem Chef Björn Höcke seit 2021 sogar als „gesichert extremistisch“ ein.

=> Seit dem 7.11.2023 gilt die AfD in Sachsen-Anhalt als erwiesen rechtsextremistisch

 

=> Wenn eine Partei vom Verfassungschutz als „gesichert extremistisch“ eingestuft wird, erlaubt dies war eine verstärkte nachrichtendiesntliche Überwachung, bedeutet aber noch lange nicht, das die Partei verboten wird! Darüber entscheidet das BVG 


Prüffall, Verdachtsfall, gesicherte extremistische Bestrebung

Der Verfassungsschutz (es gibt ein Bundesamt für Verfassungsschutz und mehrere Landesämter) ist der deutsche Inlandsgeheimdienst. Der deutsche Auslandsgeheimdienst heißt „Bundesnachrichtendienst“). Das Bundesamt für Verfassungsschutz ordnet mögliche Fälle verfassungsfeindlicher Bestrebungen in drei Kategorien ein: Prüffall Verdachtsfall, und „gesicherte extremistische Bestrebung“

Das Anlegen eines Prüffalls ist der erste Schritt im Verfahren beim Verfassungsschutz. Hierbei wird - vereinfacht gesagt - vorgeprüft, ob genügend Anhaltspunkte für eine Beobachtung vorliegenDer Verfassungsschutz kann in diesem Stadium lediglich Informationen aus offen zugänglichen Quellen sammeln: Zeitungsartikel, Fernsehbeiträge oder Internetauftritte etwa, aber auch öffentliche Äußerungen der beteiligten Personen, Vereinssatzungen oder Parteiprogramme. Über die Einstufung einer Person oder Gruppierung als Prüffall darf der Verfassungsschutz die Öffentlichkeit nicht informieren.

Wenn der erste Schritt aus Sicht der Behörde ergeben hat, dass es bei einem Prüffall tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung gibt, dann stuft der Verfassungsschutz diesen Verdachtsfall hoch.

Ab dieser zweiten Stufe darf der Verfassungsschutz die betreffende Gruppierung beobachten, sie gilt nun in der Behörde als "Beobachtungsobjekt". 

 

Die dritte Stufe ist das Vorliegen einer gesicherten extremistischen Bestrebung. Hier hat sich der Verdacht schon so weit verfestigt, dass aus Sicht der Behörde keine Zweifel mehr am Vorliegen extremistischer Bestrebungen bestehen. Wie schon bei den Verdachtsfällen beobachtet der Verfassungsschutz auch hier die jeweilige Gruppierung oder Einzelperson.

Das BfV kann einen Prüffall auch direkt zur gesicherten Bestrebung hochstufen, ohne den "Umweg" Verdachtsfall. Soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (also bei den Kategorien "Verdachtsfall" und "gesichert extremistisch"), informiert der Verfassungsschutz auch die Öffentlichkeit.

 

Was bedeutet "beobachten" genau?

Der Verfassungsschutz darf bei den Beobachtungsobjekten der zweiten und dritten Stufe nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. So kann die Behörde etwa V-Leute anwerben, also Informanten aus dem Umfeld der Partei. Außerdem kann sie Personen observieren oder auch, sofern noch weitere Voraussetzungen erfüllt sind, die Telekommunikation überwachen

Jede Maßnahme muss erforderlich und angemessen sein. Es darf also kein milderes Mittel geben, das genauso effektiv wäre. Bei einer gesicherten extremistischen Bestrebung sind dabei tendenziell mehr Maßnahmen zulässig als bei einem Verdachtsfall. In beiden Fällen stehen also die gleichen "Werkzeuge" zur Verfügung, aber die Einzelfallentscheidung, wie genau beobachtet wird, fällt mitunter unterschiedlich aus.

Vergleiche hierzu die folgende Seite:

https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/verfassungsschutz-beobachtung-100.html


Exkurs: Staatliche Parteienfinanzierung

Anspruch auf staatliche Teilfinanzierung in einem bestimmten Jahr haben alle Parteien, die bei der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent oder bei einer der jeweils letzten Landtagswahlen mindestens 1 Prozent der abgegebenen gültigen Listenstimmen erreicht haben. Ist für die Partei keine Liste zugelassen, bekommt die Partei staatliche Mittel, wenn sie mindestens 10 Prozent der in einem Wahl- oder Stimmkreis abgegebenen gültigen Erststimmen erreicht hat. Es werden alle Stimmen aus der letzten Bundestags- und Europawahl sowie den jeweils letzten Wahlen in den einzelnen Bundesländern zusammengezählt. Für die ersten 4 Mio. Stimmen erhalten die Parteien 1,06 Euro pro Stimme, für jede weitere Stimme 0,87 Euro (Wählerstimmenanteil).

Darüber hinaus bekommen die Parteien jährlich 45 Cent für jeden Euro, den sie als Zuwendung in Form von Mitgliedsbeiträgen, Mandatsträgerbeiträgen und Spenden von natürlichen Personen erhalten haben, wobei nur Zuwendungen bis zu 3.300 Euro pro Person und Jahr berücksichtigt werden (Zuwendungsanteil). 

Quelle:  Oskat Niedermaer:  Staatliche Parteienfinanzierung (24.06.2022) 

 

Seite: „Staatliche Parteienfinanzierung | Parteien in Deutschland | bpb.de“