Sozistunde 12063a - Analyse populistischer Reden -Die Kopftuchmädchen-Rede von Alice Wedel – 16.05.2018


Bundestagsrede von Alice Weidel am 16.05.2018

 

Quelle: Plenarprotokoll 19/32 - Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 32. Sitzung - Berlin, Mittwoch, den 16. Mai 2018 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/19/19032.pdf
Video bei youtube unter: https://www.youtube.com/watch?v=5Klzyh-TIog


Generaldebatte im Bundestag: Rede von Alice Weidel am 16.05.2018
Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet. […] Wir setzen jetzt die Haushaltsberatungen […] fort: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2018 (Haushaltsgesetz 2018) Drucksache 19/1700 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss. […]
Das Wort hat die Fraktionsvorsitzende der AfD, Dr . Alice Weidel. (Beifall bei der AfD)
Dr. Alice Weidel (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt ist der Nerv des Staates Daher muss er den profanen Augen des Untertanen entzogen werden. Diesen Satz, der Kardinal Richelieu zugeordnet wird, haben Sie sich offensichtlich seit Jahrzehnten auf die Fahnen geschrieben; (Beifall bei der AfD) denn pünktlich zur Vorstellung des Haushaltes beginnt das Tarnen und Täuschen. Statt dem Souverän, dem Bürger, reinen Wein einzuschenken, werden vollmundige Sonntagsreden6 gehalten. Und dabei fühlen Sie sich dem Schriftzug am Hohen Hause „DEM DEUTSCHEN VOLKE“ ohnehin nicht mehr verpflichtet. Das Volk wollen Sie sich nämlich selbst aussuchen und zusammenstellen. (Beifall bei der AfD)
 […] Unser Haushalt ist sozial gerecht, behaupten Sie tatsächlich? Deutschland hat eine der höchsten Einkommens- und Ausgabenbelastungen aller westlichen Staaten. Durch Ihre absurde Steuerpolitik sind vor allem die Verdiener mittlerer und kleiner Einkommen, vor allem die Familien belastet. […]
Was ist daran gerecht, was ist daran sozial, sehr geehrte Damen und Herren? Es ist nichts anderes als Steuerzahlerausbeutung nach Gutsherrenart , was Sie hier praktizieren. Während die Infrastruktur dieses Landes zerfällt, der Staat seine Bürger nicht mehr schützen kann, fließen Abermilliarden in die Aufnahme und Alimentierung illegaler Einwanderer und in die Sozialsysteme . (Beifall bei der AfD) –
[…] In spätestens 20 Jahren wird jeder fünfte Rentner auf die Grundsicherung angewiesen sein. Trotz eines harten Arbeitslebens haben heute unzählige Senioren kaum genug zum Leben. Zwei Beispiele aus Bochum: Zum einen Herbert W. Bis Mitte der 70er-Jahre hat er unter Tage gearbeitet, später bei Opel, hat viele Jahre ins deutsche Rentensystem eingezahlt, sammelt am Wochenende Flaschen vor dem Ruhrstadion, um seine kümmerliche Rente aufzubessern.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Tante Alice erzählt Märchen!)
Zum anderen Sami A. Er ging früher auch einer beschwerlichen Arbeit nach, er war Leibwächter von Osama Bin Laden, hat nie ins deutsche Sozialsystem eingezahlt, fährt am Wochenende gern mit seinem Moped ins Grüne, erhält vom Staat 1 200 Euro pro Monat, und das seit sage und schreibe zehn Jahren. Das ist aus meiner Sicht eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, die Sie zu verantworten haben.
(Beifall bei der AfD).
[…]. Und ja, wir haben die Hauptverantwortung für die Menschen, die Familien, die schon länger hier leben, und diesen Menschen haben Sie zu dienen. Staatsaufgabe ist nämlich, das über Generationen aufgebaute Volksvermögen […] zum Wohle des deutschen Volkes zu verwalten und es nicht mit vollen Händen zum Fenster rauszuschmeißen; (Beifall bei der AfD) denn Eigentümer sind die deutschen Bürger und nicht Sie, nicht die Regierung.
Seit 1972 werden in Deutschland jedes Jahr weniger Kinder geboren, als Menschen sterben. Für die Überlebensfähigkeit eines leistungsfähigen Staates ist das ein Problem. Was haben Sie dagegen getan? Nichts, … na ja, jedenfalls nichts Wirksames.
Denn Sie setzen ausschließlich auf […] Einwanderung – das sagen Sie ja die ganze Zeit.
Bei muslimischen Zuwanderern schaut die Geburtenrate nämlich ganz anders aus. Sogar die Auffettung der Einwohnerzahl durch zugewanderte Straftäter mit mehrfachen Identitäten scheint Sie überhaupt gar nicht zu stören. Doch ich kann Ihnen sagen: Burkas, Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern. (Beifall bei der AfD – )
Dazu, Herr Kauder, bedarf es einer qualifizierten und keiner plan- und zügellosen, bildungsfernen Zuwanderung. Deutschland ist schon lange ein grenzenloses Einwanderungsland für Unqualifizierte und ein Auswanderungsland für Hochqualifizierte geworden. Und was tun Sie dagegen? Wer soll in Zukunft für die Renten aufkommen? Wer zahlt denn Ihre stattlichen Pensionen, auch Ihre, Herr Hofreiter, Sie Schreihals?
Ihre eingewanderten Goldstücke etwa? Das glauben Sie doch wohl nicht im Ernst. Die Bürger scheinen Ihnen vollkommen egal zu sein […]!
Wir fordern, den Sozialstaat endlich zu sichern und die Zukunft zu gestalten . Die Strategie des Generationenersatzes durch eine ungeregelte Zuwanderung, teilweise aus frauenverachtenden Stammeskulturen, hat sich als Holzweg erwiesen.
[…] In diesem Sinne schließe ich mit einem Zitat des früheren tschechischen Präsidenten Zeman, das Ihnen auch schon die ehrenwerte ehemalige CDU-Abgeordnete Erika Steinbach vorgetragen hat – ich zitiere –: Falls Sie in einem Land leben, in dem Sie für das Fischen ohne Angelschein bestraft werden, jedoch nicht für den illegalen Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass, dann haben Sie das volle Recht, zu sagen, dieses Land wird von Idioten regiert …
(Beifall bei der AfD – Abgeordnete der AfD erheben sich – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Pfui! – Zurufe von der LINKEN: Buh!)
Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Frau Kollegin Weidel, Sie haben in Ihrer Rede unter anderem die Formulierung „Kopftuchmädchen  . . . und sonstige Taugenichtse“ gebraucht. Damit diskriminieren Sie alle Frauen, die ein Kopftuch tragen. (Dr . Alice Weidel [AfD]: Nein!)
 Dafür rufe ich Sie zur Ordnung.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Bundestagsrede von Alice Weidel am 16.05.2018

Quelle: Plenarprotokoll 19/32 - Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 32. Sitzung - Berlin, Mittwoch, den 16. Mai 2018 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/19/19032.pdf
Video bei youtube unter: https://www.youtube.com/watch?v=5Klzyh-TIog

Erarbeiten Sie mit Hilfe geeigneter Textbelege heraus, inwiefern sich in Alice Weidels Bundestagsrede vom 16.05.2018 wesentliche Kennzeichen bzw. Merkmale des Populismus erkennen lassen!

 

Kennzeichen des Populismus, die in der Weidel-Rede deutlich werden:  

1. Es wird ein Gegensatz konstruiert zwischen einer Elite und dem einfachen Volk.  Die Elite wird in den Augen der Populisten vor allem repräsentiert durch Politiker der etablierten Alt-Parteien und die öffentlich-rechtlichen Medien bzw. die seriösen Massenmedien.

Es wird der Vorwurf erhoben, die Elite sei abgehoben, korrupt, verlogen und handle gegen die Interessen des „ehrlichen, hart arbeitenden Volkes“.

Diese antielitäre Einstellung findet sich an mehreren Stellen der Weidel-Rede:

So kritisiert Weidel die Regierungsparteien zu Beginn ihrer Rede mit den Worten:

„…pünktlich zur Vorstellung des Haushaltes beginnt das Tarnen und Täuschen. Statt dem Souverän, dem Bürger, reinen Wein einzuschenken1, werden vollmundige Sonntagsreden2 gehalten. Und dabei fühlen Sie sich dem Schriftzug am Hohen Hause „DEM DEUTSCHEN VOLKE“3 ohnehin nicht mehr verpflichtet. …
Es ist nichts anderes als Steuerzahlerausbeutung nach Gutsherrenart…“

In der Mitte ihrer Rede fragt Weidel den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Grünen:

 „Wer soll in Zukunft für die Renten aufkommen? Wer zahlt denn Ihre stattlichen Pensionen, auch Ihre, Herr Hofreiter?“

2. Populisten schüren Ängste (z. B. vor angeblich wachsender Terrorgefahr oder Wohlstandsverlusten)  und bieten einfache Problemlösungen (z.B.: schnelle Abschiebung von Asylbewerbern) für komplexe Probleme (Internationaler Terrorismus, Altersarmut … ) an.    

3. Eine solche Lösung sieht oft so aus, dass man die Verantwortung für die Probleme einem „Sündenbock“ zuschiebt.

Linkspopulistische Parteien machen dabei oft den weltweiten „Kapitalismus“ zum Sündenbock und warnen vor den möglichen negativen wirtschaftlichen und ökologischen Folgen der Globalisierung: Abbau sozialer Rechte; allumfassende Kommerzialisierung, Umweltzerstörung …

Rechtspopulistische Parteien wie die AfD schieben oft Minderheiten (i. d. R. Migranten)  die Schuld in die Schuhe und betonen die Ängste vor den kulturellen Folgen der Globalisierung („Überfremdung“, „Islamisierung Deutschlands“).        

So warnt Alice Weidel in ihrer Bundestagsrede (auf provokante Art und Weise):  

„Während die Infrastruktur dieses Landes zerfällt, der Staat seine Bürger nicht mehr schützen kann, fließen Abermilliarden in die Aufnahme und Alimentierung illegaler Einwanderer und in die Sozialsysteme.“

4. Populisten (denken antipluralistsch) orientieren sich an einen vermeintlichen einheitlichen Volkswillen.

Dies wird in der Weidel-Rede z.B. deutlich, wenn Weigel den Vertretern anderer Parteien, unterstellt, sie seien nicht mehr „DEM DEUTSCHEN VOLKE“ verpflichtet.

Weigel betont zudem: „Staatsaufgabe ist nämlich, das über Generationen aufgebaute Volksvermögen […] zum Wohle des deutschen Volkes zu verwalten“.

5. Deshalb verstehen sich populistische Parteien selbst weniger als „Parteien“, sondern als „Volksbewegungen“, die sich oft charismatischen Führungspersönlicheiten (Trump, Orban, …) unterordnen.

 

 

Erarbeiten Sie anhand von Belegen heraus, mit welchen Strategien die AfD im Bundestag arbeitet!

Strategien des Populismus, die in der Weidel-Rede deutlich werden: 

1. Populisten neigen zu einfachen Problemlösungen und so stellt sich die AfD  weitgehend als monothematische Partei mit „dünner Ideologie“ auf: Egal um welches politische Sachfrage (Innere Sicherheit, Staatsverschuldung …) es geht: Immer wird das Thema Migration in den Vordergrund gerückt.      

2. Die AfD arbeitet mit provokanten Äußerungen (Dies wird z.B. deutlich, wenn Alice Weigel den Vorsitzenden der grünen Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, als „Schreihals“ bezeichnet oder Ende ihrer Rede sagt: „dieses Land wird von Idioten regiert …“)

3. Die AfD arbeitet zudem mit gezielten Tabubrüchen. Gesagt werden Dinge, die man „eigentlich nicht sagt“. Wenn Weigel in einem Satz von „Burkas, Kopftuchmädchen und  alimentierte(n) Messermänner(n) und sonstige(n) Taugenichtse(n)“ spricht, so äußert sie sich  bewusst „politisch unkorrekt“.

4. Die AfD bedient sicht dabei oft einer rechtsradikalen Semantik (Sematik = Satzinhalte, Wortbedeutungen). So fällt z.B. in der Weidel-Rede fällt die häufige Verwendung des Wortes „Volk“ auf: Weidel fühlt sich „DEM DEUTSCHEN VOLKE“, dem „Volksvermögen“ und dem  "Wohle des deutschen Volkes“ verpflichtet.

5. Die AfD sieht sich selbst in einer Opferrolle bzw. Märtyrerrolle. Man wirft den etablierten Parteien, und den Medien vor, die AfD mit undemokratischen Mitteln kleinzuhalten.       

Weidel hatte in ihrer Rede unter anderem die Formulierung 'Kopftuchmädchen ... und sonstige Taugenichtse' gebraucht. Damit diskriminieren Sie alle Frauen, die ein Kopftuch tragen", mahnte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. "Dafür rufe ich Sie zur Ordnung." Alice Weidel rechtfertigte im Interview mit dem Fernsehsender N-TV ihre umstrittene Aussage und bezeichnete den Ordnungsruf als "nicht gerechtfertigt".

Vgl.: Abstimmung im Parlament. Rüge für "Kopftuchmädchen"-Spruch: Bundestag bügelt Einspruch von Alice Weidel ab

https://www.stern.de/politik/deutschland/alice-weidel-legt-einspruch-gegen-ruege-im-bundestag-ein---und-verliert-7987624.html

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