US-Wahlsystem erklärt: Wie der Präsident wirklich gewählt wird
Das Wahlsystem der USA ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Obwohl Millionen von US-Amerikanerinnen und US-Amerikanern bei der Präsidentschaftswahl ihre Stimme für Donald Trump oder Kamala Harris abgeben, entscheiden letztlich 538 Wahlmänner und -frauen über das Wahlergebnis. Dieses System – das Electoral College [das Wahlmännergremium] beruht auf einem historischen Kompromiss und sorgt immer wieder für überraschende Ergebnisse – wie etwa im Jahr 2016, als Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde, obwohl er landesweit weniger Stimmen erhielt als seine Konkurrentin Hillary Clinton. Wie funktioniert dieses System und warum ist es bis heute umstritten?
538 Wahlmänner und –frauen
Wahltag in Amerika. Die wahlberechtigten Bürgerwählen ihren Präsidenten. Sollte man meinen, aber das tun sie eben nicht – zumindest nicht direkt. 538 Wahlmänner und –frauen. Die Stimmbürger geben ihre Stimme zwar für Kamala Harris oder Donald Trump ab, doch gewählt werden dabei sogenannte Wahlmänner und -frauen. Diese – insgesamt 538 Personen – wählen erst ein paar Wochen später den Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Das System wird auf Englisch «Electoral College» genannt und stammt aus der Gründungszeit der Vereinigten Staaten. Einer Zeit, in der es noch nicht einmal die Eisenbahn gab. Die Ursprünge des Systems Philadelphia, im Sommer 1787.
Die Gründerväter der Vereinigten Staaten diskutieren darüber, wie sie einen gemeinsamen Präsidenten wählen können.
Die Ursprünge
Eine Idee: Das Volk wählt den Präsident direkt. Doch die Gründerväter waren skeptisch gegenüber dem Stimmbürger. Der normale Mann auf der Strasse könne sich nicht über nationale Politik informieren, und das Land laufe Gefahr, einen Demagogen zu wählen.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum vor allem Südstaaten gegen die direkte Volkswahl sind: Ihre Bevölkerung besteht zu grossen Teilen aus Sklaven, die nicht wählen dürfen.
So fehlt den Südstaaten das nötige Stimmgewicht, um einen Präsidenten mitzubestimmen.
«Die Südstaaten können keinen Einfluss nehmen auf die Wahl eines Präsidenten – aufgrund der Schwarzen», kritisiert zum Beispiel Gründervater James Madison.
So einigt man sich schliesslich nur auf die indirekte [mittelbare] Wahl durch Wahlmänner.
So funktioniert das Electoral College (Wahlmännergremium)
Das heutige Wahlsystem war von Anfang an ein Kompromiss. Und der funktioniert so:
Jeder Staat bekommt eine bestimmte Anzahl Stimmen für die Wahl des Präsidenten –
diese Stimmen geben die Wahlmänner ab. Doch wie viele Stimmen soll ein Staat bekommen?
Kalifornien hat zum Beispiel 54 Stimmen, Alaska aber nur 3.
Hier gilt eine einfache Formel: Ein Staat bekommt gleich viele Wahlmänner, wie er Senatoren und Kongressabgeordnete hat.
Jeder Staat – egal wie gross – hat immer 2 Senatoren und damit auch schon einmal 2 Stimmen.
Weiter entscheidet die Bevölkerungsgrösse des Staates, wie viele Kongressabgeordnete – und damit Stimmen – der Staat bekommt.
Damit erklärt sich der grosse Unterschied zwischen Kalifornien und Alaska:
Alaska hat ungefähr 730 000 Einwohner. Kalifornien etwa 39 Millionen.
[Alaska hat 730.000: 3 = ca. 250.000 Einwohner pro Wahlmann, Kalifornien hat 39.000.000:54 = ca. 700.000 Einwohner pro Wahlmann. Die Wahlen sind also nicht gleich. Bei einer „gleichen“ Wahl gilt das Prinzip: „Jede Stimme zählt gleich!“]
Damals in Philadelphia, 1787, wurden aber die Sklaven nicht zur offiziellen Bevölkerung gezählt. Die Gründerväter führten also noch die ⅗-Regel ein: Ein Sklave wurde als ⅗ einer Person gezählt. Und bis auf die ⅗-Regel hat sich das System bis heute nicht grundlegend geändert.
Doch die Rechnung der Gründerväter ging nicht ganz auf.
Sie gingen davon aus, dass die Wahlmänner ihre Stimme unabhängig abgeben würden.
damals gab es noch keine Parteien – geschweige denn zwei grosse, die alles bestimmen.
Heute aber wählen die Parteien die Wahlmänner aus.
In jedem Staat stellt die Partei eines Kandidaten eine Liste mit potentiellen Wahlmännern auf.
Wenn der Stimmbürger dann sein Kreuz für den Kandidaten setzt, setzt er es in Wirklichkeit für eine dieser Listen mit Wahlmännern.
Weniger Stimmen, aber trotzdem gewählt
Dies kann manchmal zu seltsamen Resultaten führen, wie im Jahr 2016, als Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt wird. Obwohl er insgesamt fast 3 Millionen Stimmen weniger bekommt als seine damalige Gegnerin Hillary Clinton, liegt Trump bei den Wahlmännern weit vorne.
Nicht weil diese den Willen der Bevölkerung ignorieren. Sondern wegen des Prinzips «(The) Winner take(s) it) all»: Der Gewinner in einem Staat bekommt alle Wahlmänner. Egal wie eng das Wahlresultat ist. [Das «(The) Winner take(s) it) all»-Prinzip gilt nur in Maine und Nebraska nicht.]
Beispiel: Michigan. 2016 gewinnt Trump diesen Staat mit einem Vorsprung von nur 0,3 Prozent der Stimmen. Und damit alle 16 Wahlmänner. Obwohl fast die Hälfte der Stimmbürger in Michigan – also mehr als 2 Millionen Menschen – Hillary Clinton gewählt haben. Im «Electoral College» haben sie dennoch keinerlei Gewicht.
Die Swing States
So entscheidet eigentlich nur ein Bruchteil der Stimmbevölkerung,
wer der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird. Und diese Stimmbürger leben in nur wenigen Staaten. Um Präsident zu werden, muss ein Kandidat mehr als die Hälfte der 538 Wahlmänner gewinnen. 270 ist dabei die magische Zahl.
Die meisten Staaten stimmen Wahl für Wahl für dieselbe Partei ab. Sie geben den Kandidaten eine verlässliche Basis. Spannend wird es erst in den «Swing States» [wie Michigan, Pennsylvania, Wisconsin, Noth-Carolina, Georgia, Nevada und Azizona.]
Diese wählen mal die eine, mal die andere Partei. Sie sind die Wackelkandidaten und können alles entscheiden. Nur dort lohnt es sich wirklich, Wahlkampf zu betreiben.
Fazit:
[Einerseits gilt:] Viele Amerikaner sind unzufrieden mit ihrem komplizierten und veralteten Wahlsystem. Mehr als 700 Mal wurde bereits versucht, das System zu ändern.
Ohne Erfolg.
[Andererseits gilt: Eine Änderung hin zur direkten, unmittelbaren Wahl würde den Wahlkampf in die grossen Staaten verschieben und tiefgreifende Folgen haben, mit denen auch viele Amerikaner [, die in kleineren Staaten leben,] unzufrieden wären. Das System ist und bleibt: ein Kompromiss [zwischen den Interessen der großen Staaten (wie Kalifornien) und den kleinen Staaten (wie Alaska), die nicht bedeutungslos werden wollen.
Quelle: US-Wahlsystem erklärt: Wie der Präsident wirklich gewählt wird
Trump, Clinton, Obama. Wie funktioniert das US-Wahlsystem? | Der rote Faden
Problem 2: „Gerrymandering“ bei den Wahlen zum US-Repräsentantenhaus
Exkurs: Hintergrundinformation zum „Gerrymandering“: Gerrymandering ist ein Begriff, der die Verschiebung von Wahlkreisgrenzen in einem Mehrheitswahlsystem (mit „Winner takes all“-Prinzip) bezeichnet, um die eigenen Erfolgsaussichten zu maximieren. Der Begriff ist ein Kunstwort aus Gerry und Salamander: Elbridge Gerry, seinerzeit Gouverneur von Massachusetts und später Vizepräsident der Vereinigten Staaten, unterzeichnete im Jahr 1812 ein Gesetz zum Neuzuschnitt der Wahlkreise für den Senat von Massachusetts. Die neuen Wahlkreisgrenzen begünstigten seine Partei. Ein reines Verhältniswahlrecht schließt „Gerrymandering“ aus. Alle zehn Jahre werden auf der Basis von Volkszählungen in den USA die Wahlkreise für die Wahl des Repräsentenhauses festgelegt. Dabei ist es für die machthabende Partei möglich, die eigenen Erfolgsaussichten zu maximieren. Bei den Wahlen zum US-Senat und bei den US- Präsidentschaftswahlen ist kein Gerrymandering möglich. Jeder Bundesstaat bildet einen Wahlkreis und die Wahlkreisgrenzen stehen fest. |
Vgl.: „Gerrymandering“. In: Wikipedia https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gerrymandering
Die SPIEGEL-Faktenchecker: Wie demokratisch ist die US-Wahl? | DER SPIEGEL
https://www.youtube.com/watch?v=NBzd03RERW8
Alle zehn Jahre werden in den USA die Wahlkreise [für die Wahlen des Repräsentantenhauses neu gezogen. Wie, das entscheidet in den meisten fällen die vor Ort regierende Partei und die nutzt das zu ihrem eigenen Vorteil. Im vergangenen Jahrzehnt gilt das vor allem für die Republikaner das „Gerrymandering“ führt dazu, dass ein zentrales demokratisches Grundprinzip letztlich auf den kopf gestellt wird. [Überspitzt formuliert]; Dann wählen nicht mehr die Wählerinnen und Wähler ihre Abgeordnete sondern es ist genau umgekehrt: Die Abgeordneten wählen sich letztlich ihre Wähler.
Es gibt zwei Wege des Gerrymandering, also die Wahlkreisverschiebung anzuwenden:
Zunächst das Cracking: Stellen wir uns zum Beispiel einen Wahlbezirk vor, in dem die afro- amerikanische Bevölkerung [welche traditionell demokratisch wählt] den Ausschlag gibt.
Was könnten die Republikaner machen? Sie könnten diesen Wahlbezirk neu zuschneiden und dabei das [mehrheitlich] afroamerikanische Viertel [zerteilen =cracken], so dass es nicht mehr existiert.]
Diese würden anderen Wahlbezirken zugeschlagen werden, in denen die Republikaner ohnehin eine solide Mehrheit haben, die Stimmen der afroamerikanischen Wähler würden also somit verpuffen und den Republikanern keinen Schaden verursachen.
Beim Packing läuft es anders herum. Beim könnten die Republikaner einen Wahlbezirk so zuschneiden, das afroamerikanische Wohnviertel zusammen mit lateinamerikanischen und studentischen Wohnvierteln zusammengelegt werden. [Alle diese Wählergruppen wählen tradtionell demokratisch.] Das würde dazu führen, dass die Demokraten einen Wahlbezirk mit einem sehr hohen Stimmenvorsprung gewinnen, letztlich mit einem ungünstigen Stimmenvorteil. Diese Stimmen würden jedoch an anderer stelle fehlen nämlich in den angrenzenden bezirken, die dann theoretisch an die Republikaner gehen könnten.
Das Gerrymandering betrifft die Präsidentschaftswahl nur indirekt, die Bundesstaatsgrenzen und damit die Wahlkreise sind klar gezogen. Das Gerrymandering nutzen die Parteien bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus. Und wer dort die Mehrheit gewinnt kann, Einfluss auf den Ablauf der Präsidentschaftswahl nehmen.